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Niemals den Klassenkampf vergessen!1
Poulantzas und Althusser
von Sebastian Reinfeldt
Das momentane Interesse an den Schriften von Nicos
Poulantzas in Deutschland hat etwas Verstörendes. Es kommt unglaublich
spät, und diese Verspätung wird als eine eigenartige zeitliche Distanziertheit
spürbar, wenn man seine Texte liest. So weisen das einschlägige
Vorwort und die Kommentare zu der Neupublikation seiner Staatstheorie
darauf hin, daß man Poulantzas trotz seiner Zeitbezogenheit doch
ernst nehmen solle: Lest wieder Poulantzas (auch wenn es eigentlich
schon zu spät ist)! Wir sind wieder mitten in den 70ern! Hört wieder
Bob Dylan! Und geht auf Folklorefestivals! (Punk beginnt erst in
zwei Jahren, oder in dreien.)
Back to the future!
Ich höre diesen Imperativ (“Poulantzas lesen!”),
erfahre von einer aktiven Poulantzas-Gesellschaft und einer örtlichen
Poulantzas-Lesegruppe und meine zu verstehen, daß die marxistische
Linke gerne noch einmal von vorne anfangen würde: Alles noch einmal
aufrollen, die früheren Gewißheiten in Frage stellen, noch einmal
entscheiden wollen, was wirklich wahr ist; Fäden aufnehmen, die
andere zuvor absichtlich und mit vermeintlich ‘guten’ Argumenten
liegen gelassen hatten. Bei einem solchen Unternehmen könnte Poulantzas
helfen, gehen wir also “back to the future”.
Denn damals hatte Poulantzas aus marxistischer Perspektive
Theoretiker zur Kenntnis genommen, die die westdeutsche Linke überwiegend
nur mit spitzen Fingern angefaßt hatte: Michel Foucault und Louis
Althusser. Und seine Texte sind von ihrem philosophischen Gehalt
her Leseprotokolle eines offenen, wenn auch parteiischen Zugangs
zu diesen Theorien. Mithilfe von Foucault und Althusser war er in
der Lage, sich aus den Erstarrungen des damals etablierten Marxismus
zu lösen, zugleich konnte er eine sensible marxistische Kritik an
ihnen vortragen. Im Felde des Marxismus gab es neben Louis Althusser
und Etienne Balibar nur noch den einsamen Antonio Gramsci, auf den
sich Poulantzas ebenfalls systematisch bezieht. Und natürlich den
Textkorpus der Blauen Bände.
Im Westen Deutschlands galt das damalige theoretische Interesse
der sogenannten Staatsableitung, und das zu einer Zeit, als schon
ein neuer Typ gesellschaftlicher Kämpfe am Horizont aufgetaucht
war, die anti-fordistischen Kämpfe. In den Fabriken wurde gebummelt
und sich verdrückt, man blieb zu Hause; Psychiatrie, Gefängnis und
das Krankenhaus wurden politische Themen (“Aus der Krankheit eine
Waffe machen” - Sozialistisches Patientenkollektiv); die Frauenbewegung
machte Widerspruchslinien entlang der Kategorie Geschlecht deutlich,
zeitgleich mit dem deutschen Herbst wurden die ersten Anzeichen
der Umweltbewegung bemerkbar.
Es war die Hauptströmung einer universitär verankerten, marxistisch
orientierten orthodoxen Linken, die diese Kämpfe nicht ernst genug
nahm, weil sie angeblich nicht proletarisch waren und weil sie sich
angeblich ‘nur’ an den sogenannten Nebenwidersprüchen orientierten.
Gleichzeitig (und folgerichtig) errichtete sie entsprechende Grenzblockaden
in Richtung Theorie aus Frankreich. Das Resultat dieses Vorgehens
ist unter anderem: Heutzutage sind Poulantzas’ Werke wenigstens
teilweise auf Deutsch zu lesen, die Schriften Althussers findet
man, wenn überhaupt, nur mehr in den Bibliotheken. Foucault hingegen
wurde – nach Widerstand jedoch – nach seinem Tod in die Suhrkamp-Kultur
aufgenommen, das garantiert wenigstens eine passable Zugänglichkeit
wichtiger Texte.
Wir können also Poulantzas lesen, es gibt diese Möglichkeit
materiell. Und doch erscheint die Problemstellung dieses Textes
zum theoretischen Verhältnis von Althusser und Poulantzas ziemlich
retro-perspektiv – und deshalb furchtbar langweilig. Wer will das
eigentlich hören, Ausführungen über das komplexe Verhältnis von
Poulantzas und Althusser, Textstellenvergleiche, Interpretationsvarianten,
das Aufklären von Mißverständnissen etc. Wozu? Für wen, außer für
die kritischen Archivare theoretischer Praxis, die immer zu spät
kommen und die die alten Texte wieder abstauben, vermeintliche Ordnung
herstellen, Haupt-Linien der Diskussionen ausmachen, wo vielleicht
nur Handgemenge war, theoretische Strategien unterscheiden, wo man
schnell reagieren wollte, weil es etwas Wichtiges zu sagen gab –
für sie hat das wenig Bedeutung. Und im Nachhinein feststellen zu
wollen, wer aus der Ahnenreihe mehr Recht hatte, ist keine große
Kunst. Aber zu eruieren, was uns diese Überlegungen noch angehen,
könnte interessant sein. Und wer mit “uns” gemeint sein kann, das
bleibt offen und bezeichnet hier eine aus irgendeinem Grund interessierte
Poulantzas-Leserschaft.
Denn das ist es, was uns an Texten fesseln kann, uns immer wieder
zu ihnen zurückkehren läßt, auf der Suche nach neuen Facetten und
zuvor nicht wahrgenommenen Thesen: Relevante Theorien sind diejenigen,
wo ‘jemand’ ‘etwas Wichtiges’, ‘etwas Drängendes’ zu sagen hat.
Es geht dabei nicht um einen einfachen Expressionismus, demzufolge
sich Gefühle (oder Gedanken) in ästhetischer (oder philosophischer)
Form an eine Oberfläche (die einer Leinwand oder eines Blattes Papier)
drängen müssen, weil dies ihre Natur sei. Nein, so ist es selbstverständlich
nicht, aber philosophische Texte haben dennoch ein Movens,
etwas, was das Gleiten der Bedeutungen antreibt.
Aus diesen Gründen wird hier nicht noch einmal der Diskussion um
den Strukturalismus bzw. Formalismus nachgegangen, die sich beispielsweise
zwischen Nicos Poulantzas und Etienne Balibar einerseits und Ralph
Miliband und Ernesto Laclau andererseits entspannt hatte.2
Als gegeben wird vielmehr angenommen, daß der Klassenkampf niemals
vergessen werden kann, daß es aber darum geht, welche genaue Kraft
er an welchen Orten entwickelt und welche strukturierenden Wirkungen
er hat.3 Außerdem wird die relative Autonomie des Überbaus
als zentrale These von Poulantzas angesehen, mit der berühmten Formel
des Staates als einer Verdichtung von Kräfteverhältnissen. Es wird
nun versucht, im Vergleich zu dem Ansatz Althussers das Spezifische
von Poulantzas’ Konzeption herauszuarbeiten, sein eigentümliches
Movens – und es zu würdigen.
Sur la reproduction
In jenen wenigen Wochen, in denen Louis Althusser
1969 die Manuskriptseiten “Sur la reproduction” getippt hatte, Textfragmente,
von denen später die meisten als Idéologie et appareils idéologiques
d’état erscheinen werden, schaffte sich im Grunde genommen eine
These Raum, die für Marxisten damals unerhört war: “Wie erfolgt
die Reproduktion der Produktionsverhältnisse? In der Sprache des
Topos (Basis, Überbau) kann man sagen: sie erfolgt zu einem sehr
großen Teil durch den juristisch-politischen und ideologischen Überbau.”
Und in der dazugehörigen Fußnote fügt Althusser hinzu. “Zu einem
großen Teil. Denn die Produktionsverhältnisse werden zunächst reproduziert
durch die Materialität des Produktionsprozesses und des Zirkulationsprozesses.
Aber man darf nicht vergessen, daß die ideologischen Verhältnisse
unmittelbar in diesen Prozessen anwesend sind.” (Althusser 1978)
Hier handelte es sich um eine Grenzüberschreitung, hatte doch zuvor
jeder Marxist und jede Marxistin wiederholt, daß die – topologisch
gesprochen – Basis der zentrale Ort und Referenzpunkt marxistischer
Theoriebildung – und somit auch die Wiege der Reproduktion kapitalistischer
Verhältnisse – sei. Und nun entfaltet ein Marxist die These des
vorwiegend ideologischen Charakters von Herrschaft und er begründet
die Vorrangigkeit der juristischen und ideologischen Verhältnisse,
indem er den Standpunkt der Reproduktion einnimmt, der ein
originär marxistischer Standpunkt sei. Die Beherrschten erleiden
eine politisch verursachte Unterdrückung, politische Herrschaft
dominiert. Das ist mehr als eine einfache Kritik an bestimmten orthodoxen
und ökonomistischen Strömungen innerhalb des Marxismus, es ist eine
“Umstülpung” des herrschenden marxistischen Diskurses, die Althusser
hier vornimmt.
Nur nebenbei angemerkt beruht die Konstruktion des “Empires” bei
Hardt und Negri im Kern auf eben jener These, auch wenn als ‘Gegengift’
immer wieder die Produktion (“von der ökonomischen Produktion bis
zur Produktion von Subjektivität”, Hardt/Negri 2002, 15) in den
Mittelpunkt gerückt wird. Aber der erste Satz des ersten Kapitels
in Empire lautet eindeutig: “Empire ist als Untersuchungsfeld
in erster Linie durch die simple Tatsache bestimmt, dass es eine
Weltordnung gibt. Diese Ordnung drückt sich als juridische Formation
aus, in einer Rechtsordnung. Zunächst geht es also darum, die Konstitution
der Ordnung zu begreifen, die heute Form annimmt.” (Hardt/Negri
2002, 19) Im Fortgang des Buches wird diese (‘Überbau-’) Formation
weder aus der Basis abgeleitet, noch wird sie einzig in Relation
zu dieser begriffen, sondern als ein Element eines ‘strukturalen
Ganzen’ wahrgenommen und analysiert. Die Konstitution der politischen
Ordnung aus den Kämpfen folgt in einer eigenen, zu dechiffrierenden
Logik. Und diese Ordnung entfaltet eine eigentümliche, aber unbedingte
Wirksamkeit, nämlich Macht, Gewalt und humanistische Diskurse.
Daß wir aber in der eingangs zitierten Passage Althussers eine noch
nicht fertige philosophische These vor uns haben, zeigt sich darin,
daß die bekannte marxistische Topologie von Basis und Überbau (oder
wie Poulantzas sagt: eine Metapher) bemüht worden ist, eine bildhafte
Sprache, die Poulantzas am liebsten aus der Welt schaffen würde
(was meiner Meinung nach seine abstrakt-technische Sprache erklärt;
Althusser wollte das eigentlich auch: sich keine Geschichten mehr
zu erzählen, die Bilder überwinden, aber er benutzte sie noch als
Leiter, die er dann aber wegzuwerfen nicht schaffte).
Und doch irritiert es erst einmal, wenn sehr vage, unphilosophische
Ausdrücke benutzt werden, nämlich “zu einem sehr großen Teil”, oder
“zu einem großen Teil.” Was ist das genau für eine Aussage? Lassen
sich hier etwa die genauen Proportionen bemessen, im Sinne von 70
Prozent oder 90 Prozent? Sind diese Proportionen auf dem Weg vom
Haupttext zur Fußnote geringer geworden, so daß wir von “zu einem
sehr großen Teil” auf “zu einem großen Teil” abschwächen müßten,
also von 90 auf 70 Prozent?
Die zitierte Passage zeigt in ihrer Unschärfe jedoch die Trasse
an, die die These nehmen wird, die Richtung, in die sie drängt,
sie beginnt “in letzter Instanz” als eine “Betrachtung vom Standpunkt
des Klassenkampfes” und geht weiter über die Ideologie als Teil
der Basis zu diesen weiteren Stationen:
“These 1: Die Ideologie stellt das imaginäre Verhältnis der Individuen
zu ihren wirklichen Lebensbedingungen dar.” [Hinzugefügt wird der
Begriff des Imaginären, eingenäht ist also eine weitere theoretische
Tradition: die von Freud und Lacan.]
“These 2: Die Ideologie hat eine materielle Existenz.” [Althusser
denkt an eine materialistische Theorie der Ideologie, wo aus der
traditionellen Konzeption der Begriff der “Idee” verschwindet und
durch Apparate, Praktiken und Kämpfe ersetzt wird; Vorrang der Praktik
vor der Reflexion: Kniee nieder und bewege die Lippen zum Gebet
– und du wirst glauben.]
Und weiter: “1. Nur durch und in einer Ideologie existiert Praxis.
2. Nur durch das Subjekt und für Subjekte existiert Ideologie. Dies
ermöglicht es uns, jetzt zu unserer zentralen These zu kommen. Die
Ideologie ruft die Individuen als Subjekte an.” [Das Subjekt als
zentraler Effekt von Ideologie, als entscheidende Konstruktion (denn
es bleibt hinsichtlich des Individuums abstrakt) zur Reproduktion
der Produktionsverhältnisse] (Althusser 1978)
Eine Theorie des Staates wird dabei nur en passant gestreift,
angedeutet, am Horizont aufscheinen gelassen. Die Begrifflichkeit
der Ideologischen Staatsapparate haben nicht den Status einer “Staatstheorie”,
im Mittelpunkt steht die Funktionsweise von Ideologie und der Klassenkampf,
der nicht nur eine zentrale Stellung in der Reproduktion einnimmt,
sondern auch in der Funktion des Staates. “Solange man ihn nicht
vom Standpunkt des Klassenkampfes aus betrachtet, bleibt der Gesamtprozeß
der Realisierung der Reproduktion der Produktionsverhältnisse folglich
abstrakt. Seine Betrachtung vom Standpunkt der Reproduktion ist
also in letzter Instanz seine Betrachtung vom Standpunkt des Klassenkampfes.”
(Althusser 1978)
Die Umstülpung, die durch die zuerst genannte These eingeleitet
wird, macht es zum einen notwendig, andere, nicht-marxistische Theorien
aufzunehmen, weil ja das klassische Feld des Marxismus überschritten
oder zumindest ausgeweitet worden ist. So lehnte sich Althusser
an Freud/Lacan an, um die Subjekteffekte von Ideologie besser zu
verstehen. Zum anderen beginnt nun in weiteren Texten ein ‘Spiel’
mit einer teils deklaratorischen, teils polemischen, teils verzweifelten
Rückbindung an die Orthodoxie, die die Althusserschen Thesen berechtigterweise
als eine Überschreitung erkannt und abgelehnt hatte.
Was persönlich tragisch und schmerzhaft gewesen sein mag, ist textlich
und begrifflich ein Movens.
Allüren
Poulantzas übernimmt aus diesem Text Althussers
viel – was er in seinen späteren Texten verleugnet, indem er dort
eine Karikatur der Althusserschen Begrifflichkeiten entwirft. Nicht
nur, daß er die Begriffe Ideologischer und Repressiver Staatsapparat
in einem Althusserschen Sinne anwendet (siehe dazu weiter unten),
er nimmt ebenso den Standpunkt der (bei ihm: erweiterten) Reproduktion
ein, die politische, ideologische und ökonomische Beziehungen umfaßt.
Sogar die Althussersche Umstülpung findet sich wieder, etwa in dem
Text “Gesellschaftliche Klassen und ihre erweiterte Reproduktion”,
der aufgrund seiner Thesenform auch stilistisch nahe an Althusser
liegt. Aber sehen wir genau zu, wie Poulantzas diese Thesen aufnimmt.
Hier heißt es zunächst unter Punkt 9.:
“Der Produktionsprozess setzt sich also aus der Einheit des
Arbeitsprozesses und den Produktionsverhältnissen zusammen. Aber
innerhalb dieser Einheit hat nicht der Arbeitsprozess, einschließlich
der Technologie und des technischen Ablaufs, die dominierende Rolle:
die Produktionsverhältnisse beherrschen immer den Arbeitsprozess
und die Produktivkräfte, indem sie ihnen ihren Grundriß (tracé)
und ihre Gangart (allure) aufprägen. Diese Vorherrschaft der Produktionsverhältnisse
über die Produktivkräfte ist es sogar, die ihrer Verknüpfung die
Form eines Produktions- und Reproduktionsprozesses gibt.”
(Poulantzas 1975, 21; Hervorhebungen im Original)
Diese Passage bereitet im Textablauf eine weitergehende These vor,
auf die ich gleich zu sprechen kommen werde. Aber es finden sich
hier zwei besondere Formulierungen innerhalb des ansonsten technisch-abstrakten
Sprachgebrauchs, die in dem von mir benutzen deutschsprachigen Text
durch die Übersetzer auch eigens markiert wurden: tracé und
allure. Die Produktionsverhältnisse prägen dem Arbeitsprozeß
(in der Staatstheorie ersetzt Poulantzas übrigens “Arbeitsprozeß”
durch: “technische Arbeitsteilung” ) und den Produktivkräften ihren
Grundriß und ihre Gangart auf, formuliert Poulantzas, sie strukturieren
sie, sie prägen Muster, und sie bestimmen Rhythmus und Verlauf.
Diese Determination ist eindeutig und feinporig, denn sie durchzieht
die zentralen Motoren der ökonomischen Dynamik, die doch für den
Kapitalismus so bezeichnend ist. Doch es erhebt sich sofort die
Frage, wie es sich mit diesen besonderen Verhältnissen weiter verhält,
die Poulantzas hier anspricht. Das erläutert er unmittelbar anschließend.
Klassengewalten
"9.1. Aus dieser beherrschenden Rolle (…) ergibt
sich die konstitutive Rolle der politischen und ideologischen Verhältnisse
in der strukturellen Bestimmung der gesellschaftlichen Klassen.
Die Produktionsverhältnisse und die Beziehungen, die sich bilden
(ökonomisches Eigentum/Besitz), drücken sich in Form vonGewalten
aus, die ihnen entspringen, kurz durch Klassengewalten. Als solche
sind diese Gewalten konstitutiv (ja, konstitutiv - SR!) mit den
politischen und ideologischen Verhältnissen, die sie bestätigen
und legitimieren, verbunden. Diese Verhältnisse kommen nicht zu
den 'bereits vorhandenen' Produktionsverhältnissen hinzu, sondern
sind selbst in der Konstitution der Produktionsverhältnisse
in der jeder Produktionsweise spezifischen Form präsent."
(Poulantzas 1975, 21; kursive Hervorhebungen im Original)
Die Produktionsverhältnisse beherrschen den Arbeitsprozeß und die
Produktivkräfte, daraus ergebe sich die konstitutive Rolle
der politischen und ideologischen Verhältnisse für die Bestimmung
der gesellschaftlichen Klassen, dem Hauptanliegen dieses Textes
- so verbinden sich argumentativ die beiden Passagen. Aber wenn
diese politischen und ideologischen Verhältnisse der ökonomischen
Maschinerie an der Basis nicht nur hinzukommen sollen, wie Poulantzas
sagt, so gibt es doch ein entscheidendes anderes Element,
das sie konstituiert: die Gewalten, und Poulantzas übersetzt
in diesem Text sofort mit: die Klassengewalten, die den Produktionsverhältnissen
entspringen.
Gewalten. Dieses Wort ist in der hier zitierten Passage auch deshalb
signifikant, weil es in einer späteren Revision weggelassen wurde
und einfach durch den Terminus "Klassenkampf" ersetzt worden ist.4
Aber im Horizont des an dieser Stelle vorgefundenen Argumentationsgangs
taucht damit deutlich ein aleatorisches Element auf, das die späteren
Varianten der Analyse des Staates als spezifischer Form, Verdichtung,
Kristallisierung etc. von Kräfteverhältnissen erst sinnvoll erscheinen
läßt. Wenn es Klassenkampf gibt, und wenn aber darin nicht schon
fertig formierte Gruppen aufeinandertreffen und ihre von vornherein
feststehenden Kräfte aneinander messen, wogegen sowohl Poulantzas
als auch Althusser argumentieren, sondern wenn sie sich erst im
und durch den Kampf konstituieren und Kraft entwickeln, dann muß
ja im Kampf irgend etwas aufeinander treffen, das den Kampf antreibt.
Verhältnisse und Relationen alleine können dies nicht sein, denn
sie existieren als Kristallisierungen von Kräfteverhältnissen und
können als solche Kämpfe anreizen, hemmen oder neutralisieren, aber
nicht 'kämpfen'. Verhältnisse kämpfen nicht. Es sind dies Energien,
die keine schon gegebene Form haben, und die von Poulantzas hier
mit dem Wort "Gewalt" signifiziert worden sind, im Sinne einer "konstituierenden
Gewalt".
Ohne dieses Element - ich möchte eigentlich schreiben: ohne dieses
nicht weiter reduzierbare Element - würde sich der Schlußsatz der
zitierten Passage wie eine reine Verdoppelung und Verhärtung von
Herrschaft lesen, und das stünde gegen die erklärte Absicht von
Poulantzas, radikale Veränderungsprozesse des Staates zu denken:
"Der Produktions- und Ausbeutungsprozess ist gleichzeitig der Reproduktionsprozess
der politischen und ideologischen Herrschafts-/Unterordnungsverhältnisse."
(Poulantzas 1975, 21)
Nun bedarf meine Lesweise dieser Passage bei Poulantzas noch ergänzender
Kommentare und Präzisierungen. Es geht dabei um den Begriff der
Gewalt, der oft aus der politischen Theorie verbannt oder in ihr
verklausuliert wird.
Zum Kontext: Der Begriff der "konstituierenden Gewalt" und sein
Zwilling, der der "konstituierten Gewalt" taucht in der Tradition
einer devianten Staatstheorie von Walter Benjamin (1921) und Carl
Schmitt (1928) auf, die jüngst wieder aufgenommen wurde bei Jacques
Derrida (1991), Antonio Negri (1998) und Giorgio Agamben (2002).
Der Staat, die Apparate, Rechtsinstitute, Institutionen und Parlamente
beruhen demnach auf zweierlei Gewaltmodi, dem der ursprünglichen,
rechtssetzenden und der logisch folgenden, rechtserhaltenden Gewalt.
Klassischerweise geht die rechtssetzende Gewalt, die der Staatlichkeit
zugrunde liegt, in die erhaltende über, wodurch die dominante Form
staatlicher Souveränität sich begründet. Beide Modi sind mit dem
Begriff der Klassengewalt (oder dem des Klassenkampfes) angesprochen,
da sie Poulantzas zufolge für den kapitalistischen Staat initial
ist und dessen Ausformung prägt.
Für Carl Schmitt ist ein politischer Wille dann konstituierend,
wenn er über die "Macht oder Autorität" verfügt, Art und Form der
politischen Existenz zu bestimmen (vgl. Schmitt 1928, 75ff.). Bei
Benjamin ist es die göttliche, "waltende" Gewalt, die den ansonsten
immerwährenden, dekadenten Kreislauf aus rechtssetzender und rechtserhaltender
(= mythologischer) Gewalt entsetzt, da sie grenzenlos und "rechtsvernichtend"
ist (Benjamin 1921, 59ff.).
In der klassischen Rechtstheorie geht die rechtssetzende Gewalt
in eine souveräne Macht über, das heißt in der Sprache von Poulantzas
und Althusser: sie fundiert Staatsapparate.
Toni Negri hingegen versteht unter der Klassengewalt eine Potentialität,
die - ähnlich wie Benjamin, aber ohne dessen theologische Auflösung
- etwas anderes als einen Staat will: "Der Gegenentwurf zur
existierenden Macht entwickelt sich als positives Projekt, als Ausdruck
einer Potentialität. Die Zerstörung des Staates kann man sich nicht
anders vorstellen denn als die Wiederaneignung der Administration,
die Wiederaneignung des gesellschaftlichen Kerns der Produktion
und der Instrumente, um die soziale und produktive Kooperation zu
verstehen." (Negri 1998, 79)5
Jedenfalls, so merkt Giorgio Agamben in seinem Kommentar zu Toni
Negri an, ist damit von neuem das Problem des Verhältnisses von
Zufall und Notwendigkeit angesprochen.6 Und dieses betrifft
die Staatstheorie unmittelbar, wie jetzt zu zeigen sein wird. Wenn
der Klassenkampf der entscheidende Faktor der Staats-Werdung, Staats-Formung
und Staats-Erhaltung ist, dann muß der Klassenkampf auch systematisch
in Bezug auf den Staat gedacht werden, wenn er ja nicht nur eine
hinzugefügte Existenz oder eine 'nur' abgeleitete Materialität besitzen
soll.
Poulantzas setzt sich mit diesem Thema ausführlicher in der Staatstheorie
auseinander, dort aber bezeichnenderweise unter dem Signum der monopolisierten
(rechtserhaltenden) Gewalt, die durch die Herrschaft des Gesetzes
und die Verschiebung der Legitimität in Richtung Legalität lediglich
"verdeckt" werde (Poulantzas 2002, 110).
"Die Monopolisierung der legitimen Macht durch den Staat bleibt
also das determinierende Element der Macht, selbst wenn diese Gewalt
nicht direkt und offen ausgeübt wird." Und einige Zeilen weiter
liest man: "Die Konzentration der bewaffneten Macht im Staat und
die Entwaffnung und Entmilitarisierung der privaten Sektoren als
Vorbedingung für die Einführung der kapitalistischen Ausbeutung
tragen dazu bei, den Klassenkampf von einem permanenten Bürgerkrieg
in Form periodischer und regelmäßiger Konflikte auf neue Formen
wie die politische und gewerkschaftliche Organisierung der Massen
zu verschieben." (Poulantzas 2002, 110f.; Hervorhebung durch mich
- SR)
Die Klassengewalt wird im liberal-demokratisch organisierten Staat
verdeckt und verschoben, so die Analyse von Poulantzas. Im Unterschied
zu dieser Sichtweise meinte etwa Walter Benjamin, daß das Streikrecht,
das ja die Gewerkschaften begründet, eine legalisierte und normalisierte
Form der Gegengewalt darstelle, die sich im Falle eines proletarischen
Generalstreiks jedoch so weit verdichten könne, daß sie ein
Mittel für sich selbst werde, kein Instrument mehr 'um … zu', sondern
eine reine und unmittelbare Kraft, die eine neue Ordnung begründet,
ohne daß wir ihre Wirkungen im Vorhinein kalkulieren könnten. Die
Klassengewalt mag verschoben und verdeckt sein, sie bleibt jedoch
sichtbar und wirksam. Und es besteht ja die reale (= historische)
Möglichkeit, daß sie sich verdichtet.
Matérialisme de la rencontre
Diese Situation treibt Althusser in seinen späteren
Texten an, ja sie ist im Grunde genommen prägend für sie. Indem
er sich dabei ausdrücklich auf seine früheren Arbeiten bezieht,
denkt er weiter, was eine symptomale Leerstelle in der marxistischen
Tradition – und auch in seinen eigenen Texten – ist. In Ideologie
und ideologische Staatsapparate heißt es etwa in dem angehängten
Eigenkommentar: “Denn wenngleich die ISAs die Form darstellen, in
der die Ideologie der herrschenden Klasse sich notwendig verwirklichen
muß, und zugleich die Form, an der die Ideologie der beherrschten
Klasse sich notwendig messen muß und der sie sich entgegenstellen
muß, so ‘entstehen’ die Ideologien jedoch nicht in den ISAs, sondern
aus den im Klassenkampf involvierten gesellschaftlichen Klassen,
ihren Lebensbedingungen, ihrer Praxis, ihren Kampferfahrungen etc.”
(Althusser 1978)
Zahlreich sind die Verweise auf den Klassenkampf, nicht nur bei
Althusser und Poulantzas. Die Klassenkämpfe seien der Motor der
Geschichte, so heißt der vielzitierte Satz aus dem Kommunistischen
Manifest. Sowohl der Klassenkampf, so stellen wir bei den beiden
hier diskutierten Autoren übereinstimmend fest, als auch die Volkskämpfe
sind nicht nur die Antriebskräfte der Geschichte, sie sind auch
Triebkräfte der Staatsapparate (Althusser) bzw. sie werden materiell
in Kräfteverhältnissen verdichtet, oder sie bilden Kräfteverhältnisse,
die sich dann in Form eines Staates verdichten, oder …, wie auch
immer (Poulantzas).
“Allgemeiner formuliert, die internen Widersprüche und Spaltungen
des Staates im Inneren der verschiedenen Zweige und Apparate und
zwischen ihnen, sowie die Widersprüche und Spaltungen im Personal
des Staates sind auch durch die Existenz von Volkskämpfen im Staat
bedingt. Allerdings materialisiert sich die Existenz der Volksklassen
im Staat nicht ebenso wie die Existenz der herrschenden Klassen
und Fraktionen, sondern in ganz spezifischer Art und Weise.”
(Poulantzas 2002, 174)
Die herrschenden Klassen sind in Form eines Blocks an der Macht
des Staates und kontrollieren die einschlägigen Apparate, wobei
sich dort interne Kämpfe abspielen und Widersprüche des Blocks zutage
treten. Es gibt keinen uniformen Willen und keine heimlichen Kommandos,
die von allen Beteiligten gehört und befolgt würden. Dieser Staat
ist für Poulantzas also ein offenes Kampffeld. Doch okkupieren die
beherrschten Klassen andere Orte als die sie beherrschende, sie
siedeln nicht in den Zentren des Staates, sondern in eigenen Oppositionszentren,
die aber nicht jenseits des Staates stünden. Folglich existiert
ein harter Staatskern, der durch die Präsenz der Volkskämpfe kaum
verändert werden kann, und zu dessen Veränderung es anderer Interventionen
bedarf. Dabei haben die Kämpfe “immer das Primat über die Apparate,
weil die Macht eine Beziehung zwischen Kämpfen und Praktiken ist
(Ausbeuter-Ausgebeutete, Herrschende-Beherrschte), weil vor allen
Dingen der Staat die Verdichtung eines Kräfteverhältnisses, eben
das der Kämpfe ist.” (Poulantzas 2002, 182). Die Klassenwidersprüche
konstituieren den gesamten Staat, der folglich gespalten ist. Worin
liegt nun der Unterschied zwischen der Konzeption des Staates als
einer “materiellen Verdichtung eines Kräfteverhältnisses” und der
als eines “Ensembles von Apparaten”? Denn obgleich Althussers und
Poulantzas’ Unternehmen ganz parallel abzulaufen scheinen, betont
Poulantzas immer wieder seine Kritik an und seine Distanz zu Althusser.
Hat dies ausschließlich persönliche oder schulenbildende Gründe?
Denn Althussers Begrifflichkeit des Repressiven und der Ideologischen
Staatsapparate aus dem Text von 1969 taucht in Poulantzas’ Texten
immer wieder als ein kritischer Referenzpunkt auf.
Zum Beispiel:
“Aufgrund dieser Spezialisierung [die in Apparate mit eigener institutioneller
Materialität] entstand eine Konzeption, die diese Apparate in repressive
und ideologische Staatsapparate aufteilte. Der grundsätzliche Irrtum
dieser Konzeption lag darin, den Bereich des Staates auf die Ausübung
von Repression und auf die Reproduktion der herrschenden Ideologie
zu beschränken. Es gibt jedoch eine Reihe von Staatsapparaten, die
par excellence andere Funktionen als die der Repression und der
Reproduktion der herrschenden Ideologie erfüllen. (…) Selbst in
den früheren Formen des kapitalistischen Staates, in denen das ökonomische
Engagement des Staates speziell der Ausübung der Repression und
der Reproduktion der herrschenden Ideologie untergeordnet war, stand
dies der Existenz eines realen spezialisierten ökonomischen Apparats
innerhalb des Staates nicht entgegen. Heute jedoch stellt sich die
Frage noch viel deutlicher: Die Ausübung der ökonomischen Funktionen
des Staates und ihre dominante Stellung innerhalb des Staates führen
zu neuen Formen der Spezialisierung bestimmter Dispositive des Staates.”
(Poulantzas 2002, 199)
Was ist nun genau die Logik dieser Argumente gegen Althusser? Zum
einen gebe es heute eine andere Konjunktur, die es gebietet, einen
spezialisierten ökonomischen Apparat anzuerkennen, der die ökonomischen
Funktionen des Staates ins Werk setze. Mehr noch, der Staat selber
übernehme ökonomische Aktivitäten und politisiere damit die Klassenkämpfe.
Gut, so könnte man entgegnen, dann fügt man eben dem ursprünglichen
Entwurf von 1969 einen weiteren Apparatetyp hinzu, und die Thesen
über die Staatsapparate würden weiter funktionieren. Aber woher
kommen dann diese neuen Typen? Irgendwie spielt sich auch in ihnen
Klassenkampf ab, irgendwie müßten sogar die Klassenkämpfe sie ins
Leben gerufen und geformt haben – aber wie genau, das erfahren wir
im Folgenden von Poulantzas nicht (siehe Poulantzas 2002, 201ff.).
Zum anderen impliziert diese Kritik ein logisches Argument, demzufolge
die ökonomischen Apparate einer anderen Logik gehorchen würden,
und demnach von den repressiven und ideologischen Apparaten geschieden
werden müßten. Ja, sie stellten durch ihre bloße Existenz das gesamte
Tableau Althussers in Frage. Und wieso? Der ökonomische Staatsapparat
wird zum privilegierten Ort des Klassenkampfes: “Dieser Apparat
partizipiert also (…) am politischen Mechanismus des Staates; er
konstituiert ein politisches Dispositiv – nicht nur weil er zugunsten
der Kapitalakkumulation eingesetzt wird, sondern weil er in spezifischer
Form die politischen Kompromisse und Konflikte ausdrückt, die innerhalb
des Staates ausgefochten werden. Dieser politische Charakter durchzieht
(…)den gesamten ökonomischen Staatsapparat und sämtliche seiner
Funktionen.” (Poulantzas 2002, 201)
Er ist sowohl dieser privilegierte Ort des Klassenkampfes (der “immer
schon” dort stattfindet) als auch, in der direkten Folge dieser
These, ein besonderer politischer Kampfplatz. Jedenfalls ergibt
sich argumentativ, daß Poulantzas’ These des ökonomischen Staatsapparates
sich ohne logischen Bruch in die Althusserschen Thesen einfügen
ließe.
Nun sollten wir uns noch einmal der Althusserschen Version der Staatsapparate
letzter Hand zuwenden.
Althusser: Kämpfe, Energien und Apparate
Dieser Rückbezug auf die Texte des ‘späten’ Althusser
beinhaltet jedoch eine methodologische Schwierigkeit. Bis jetzt
konnte den philologischen Vorgaben der kritischen Archivare nämlich
insoweit Folge geleistet werden, als, was die 70er Jahre betrifft,
hier eine tatsächliche ‘Auseinandersetzung’ rekonstruiert werden
konnte, die materielle Spuren hinterlassen hat: der eine
Autor eröffnet 1969 eine Problematik innerhalb des marxistischen
Feldes; der andere reagiert darauf in Form einer Mischung aus rhetorischer
Abweisung und gleichzeitiger Implementierung dieser Problematik
in den eigenen Diskurs. Die hier erfolgende Einbeziehung von Texten
der ‘aleatorischen’ Spätphase Althussers – unter dem Gesichtspunkt
ihres möglichen Verhältnisses zu Poulantzas’ Staatstheorie
– erlaubt dagegen nur eine rein hypothetische Rekonstruktion
des weiteren Fortgangs dieser ‘Auseinandersetzung’, da es sich hier,
im strikten Sinne, nunmehr um einen Dialog unter Abwesenden
handelt. Das theoretische Drama setzt sich zwar fort – die Bühne
allerdings bleibt leer.
Es ist der Text “Marx dans ses limites” aus dem Jahre 1978, in dem
Althusser das Schema des Staates, das er 1969 skizziert hatte, noch
einmal überarbeitet hat (Althusser 1994, 458ff.); ein Text übrigens,
in dem die funktionalistischen Obertöne des Aufsatzes von 1969 einer
wesentlich dynamischeren Konzeption gewichen sind. Die Architektur
des Staates bestimmt Althusser hier wie folgt:
1 Der Repressive Staatsapparat bzw. der Apparat der öffentlichen
Gewalt (RSA) setzt sich aus der Armee und den zivilen Sicherheitsapparaten,
den Justizorganen sowie den Einsperrungsinstitutionen (Gefängnis,
Medizin, Psychiatrie, Unterrichtssystem) zusammen.
2 Der Politische Apparat (PSA) besteht aus dem Chef der Regierung
bzw. des Staates, der politischen Verwaltung und den öffentlichen
Diensten.
3 Die Ideologischen Staatsapparate (ISAs), die heutzutage
oftmals unter dem Begriff der ‘Zivilgesellschaft’ zusammengefaßt
werden, umfassen die Medien, die Kulturinstitutionen, den Sport,
die Kirchen, die Gewerkschaften, das Parteiensystem und das Parlamentswesen
sowie die Familie.
Althusser fügt in dem Text von 1978 einen neuen Apparatetyp ein,
nämlich den des Politischen Staatsapparates. In der Fassung
von 1969 waren die jetzt als Bestandteile des PSA zusammengefaßten
Institutionen noch als Teil des RSA verstanden worden, sie sollten
“in erster Linie” auf der Grundlage von Repression arbeiten. Dies
wird nunmehr so präzisiert, daß sie “in erster Linie” auf der Grundlage
des Befehls funktionierten. Außerdem ist der ehemals im Konzert
der ISAs als dominierend bezeichnete ISA, die Schule, in den Kanon
der Repressiven Staatsapparate aufgenommen worden. Dies kann man
damit erklären, daß dessen Arbeitsweise durch die Attribuierung
“disziplinär und para-disziplinär” ergänzt wurde. Damit wird die
Funktionsweise der Repression um eine ‘produktive’ Dimension erweitert,
so daß Repression nunmehr auch ‘Zurichtung’ bedeuten kann. Somit
wird als das wesentliche Merkmal des Unterrichtssystems dessen Fähigkeit
zur Zurichtung von Subjekten behauptet.
Die einzelnen Ensembles der staatlichen Maschine (RSA, PSA, ISA)
unterscheiden sich durch ihre je besonderen Wirkungsweisen und Reichweiten.
Der Begriff der Apparate wird von Althusser nicht rein bildlich-assoziativ
benutzt (epistemologisches Hindernis!), sondern er macht davon einen
philosophischen, d. h. präzisen Gebrauch: Ein Apparat benötigt
Energie, die er umwandelt. Außer im Falle eines unmöglichen Perpetuum
Mobiles, das in Kritiken an Althusser oftmals ironisch mit den Staatsapparaten
in Beziehung gesetzt wurde, sind Apparate niemals auto-mobil. Sie
werden nicht nur durch die Energien, die aus den Klassenkämpfen
entstehen, angetrieben und geformt, sondern sie wirken in diese
unmittelbar und mittelbar hinein, da sie permanent die einmal investierten
Energien verwandeln: etwas Anderes kommt hinein als hinaus.
Alle genannten Apparate sind also in diesem Sinne ‘produktiv’: Der
RSA spannt ein Raster auf, das entlang von Oppositionen wie normal/abweichend
oder gesetzeskonform/delinquent arbeitet und die ‘schlechten Subjekte’
dem öffentlichen Leben entzieht. Der PSA setzt den Rahmen der öffentlichen
Ordnung durch Verwaltungsakte, Verordnungen und administrative Normen.
Er soll für geregelte Verfahren sorgen, um eine Planbarkeit der
Handlungen zu bewirken. Die ISAs sind in den vielfältigen Fasern
des Gesellschaftskörpers eingelassen, wo sie vorrangig vereinheitlichend
auf das Alltagsleben jedes und jeder Einzelnen wirken. Doch wirken
die Staatsapparate nicht voneinander isoliert, in ihrer ‘reinen
Form’, sondern natürlich immer untereinander verschränkt.
Auch die Triebfedern der einzelnen Maschinenensembles sind verschieden
beschaffen: während die des RSA die Gewalt (man erinnere sich: Klassengewalt!)
und die des PSA der Befehl ist, ist die “cause motrice” der ISAs
die Ideologie, und zwar ausdrücklich nicht
die herrschende Ideologie. Denn die (Klassen-)Kämpfe spielen sich
immer in ideologischer Form ab, so Althusser. Poulantzas hingegen
verfehlt in seinen Kritiken diesen Punkt vollkommen, weil er die
Wirkungsweise der Ideologischen Staatsapparate darauf reduziert,
die herrschende Ideologie fortzuschreiben.
Zwar entsteht die herrschende Ideologie dort, aber sie umfaßt –
in guter Gramscianischer Tradition – Ideologeme der unterdrückten
Klassen, die sie amalgamiert, oder wie Althusser meint, zu einem
polyphonen Konzert zusammenfügt.
Für Poulantzas scheinen Kämpfe eine eigentlich rationale, natürliche
Grundlage und Antriebskraft zu haben, während Althusser sieht, daß
der Klassenkampf ein Kampf im Feld der Ideologie ist; nicht einer
besonderen, die einer Klasse gehören würde und die diese den anderen
einfach aufzwänge. Deshalb zielt Althussers Unternehmen darauf ab,
die Wirkung von Ideologie im Allgemeinen zu verstehen. Denn das
Anrufungs- (= Interpellations-)geschehen erzeugt Subjekte und Plätze,
in denen diese funktionieren, wohingegen Subjekte bei Poulantzas
einfach vorausgesetzt sind und er das Movens der Kämpfe letztlich
aus den strukturell bestehenden Widersprüchen innerhalb einer gegebenen
kapitalistischen Produktionsweise herleitet. Dies wird etwa in seinen
Überlegungen zum demokratischen Sozialismus deutlich, in denen die
Volkskämpfe gegeben sind, aber von den demokratischen Sozialistinnen
und Sozialisten in Richtung einer radikalen Transformation gelenkt
werden müssen (vgl. Poulantzas 2002, 292).
Wenn wir dagegen die Wirkungsweise der Apparate bei Althusser noch
einmal resümieren, sehen wir, daß es in ihnen, so Althusser, vor
allem um Subjekt-Konstitution geht. So werden in den Teilbereichen
der Staatsmaschine verschiedene Regelwerke erzeugt, die auf die
Subjekte zielen und diese formen: im RSA Strafnormen, im PSA Verfahrensregeln,
und in den ISAs Subjekt-Normen.
Teleologie und Rencontre
Randständig – und ohne Beziehung zur teleologischen
Architektur der Marxschen Theorie – findet sich bei Althusser auch
eine Theorie der “Begegnung” (“Rencontre”) zwischen verschiedenen
gesellschaftlichen Kräften und Tendenzen, die sich gewalttätig und
unter Einsatz aller verfügbaren Mittel bekämpfen. Damit ist für
ihn eine Theorie des “Rencontre” immer auch eine Theorie der (gesellschaftlichen
Strukturen inhärenten, bildenden) Gewalt.
Gleichzeitig ist sie eine indeterministische Theorie, was das Ergebnis
des Aufeinandertreffens gesellschaftlicher Kräfte und Tendenzen
betrifft. Die Existenz der Elemente im aleatorischen Materialismus
begründet sich im Clinamen (in der “Abweichung”) und im Rencontre.
So kann diese Theorie beispielsweise lediglich registrieren, daß
und wie die widerstreitenden Elemente in einer Struktur auf
eine bestimmte Weise (und nicht auf eine andere) fixiert und gegliedert
worden sind, kurz: sie gibt keine unverrückbaren Gesetzmäßigkeiten
preis, die die Geschichte lenken. Dies bedeutet z. B., daß ‘der’
Kapitalismus – das heißt die kapitalistische Produktionsweise –
kein ihm innewohnendes Wesen aufweist, das sich im Verlauf der Zeit
kontinuierlich entfaltet und dabei die Schranken des Vorherigen
durchbrochen habe; statt dessen wird er hier als das nicht voraussagbare
Ergebnis einer durch das Aufeinandertreffen von heterogenen Kräften
bewirkten Artikulation diskreter Elemente erklärt, deren Verhältnis
in der Folge andauernder Variation unterliegt; als Ergebnis mit
abwesender Ur/Sache also. Der Kapitalismus ist in einem bestimmten
Territorium unter bestimmten komplexen Konditionen entstanden (England),
auf einem anderen Territorium mit ähnlichen Konditionen jedoch nicht
(Deutschland). Ebenso wird sein Verschwinden in einer anderen Struktur,
d. h. die Neuformierung seiner Elemente, das Ergebnis einer abrupten
Neuartikulation ‘auf einen Schlag’ sein, sei es in der Form eines
Bruchs, einer Katastrophe oder einer Permutation.
Diese Überlegungen führen wiederum zu einer anderen Lektüre einiger
klassischer Texte der marxistischen Tradition. Nach dieser bedeutet
die Formel ‘Diktatur des Proletariats’ nicht, daß ein neuer und
als Maschine besser funktionierender Staat das Objekt seines Begehrens
sein könne, sondern daß dieses kommende Ereignis aus den Kämpfen
innerhalb der Matrix der Staatsapparate hervorgeht, aus Kämpfen
aber, die eine der Logik der liberal-demokratischen Repräsentation
fremde Form (Balibar: “das Ganze eines anderen Staatsapparats und
etwas ganz anderes als ein Staatsapparat”) annehmen. Die ‘Diktatur
des Proletariats’ stellt sich also in einer kollektiven Entscheidung
her, in der weder der Adressant noch Adressat symbolisch und institutionell
repräsentiert werden.
Vielmehr enthält diese Formel nur einen unbestimmten, immer neu
zu schreibenden Auftrag, der als solcher zwischen beiden zirkuliert
und eine bisher unbekannte Figur (und Form) der Gemeinschaftlichkeit
und der gesellschaftlichen Solidarität herausfordert… – und auch
hier hat Poulantzas eine gegenläufige Interpretation. Denn er versteht
unter der Diktatur des Proletariats “einen strategischen Begriff
in praktischem Zustand”, der sowohl auf die Klassennatur des Staates
hinweise, als auch auf die Notwendigkeit, diesen im Prozeß des Absterbens
zu transformieren. Aber der Begriff verschleiere die Notwendigkeit,
die repräsentative Demokratie und basisdemokratische Praktiken im
Fortgang der radikalen Transformation aufeinander zu beziehen (vgl.
Poulantzas 2002, 284).
Somit kommen wir abschließend zu den politischen Konsequenzen, die
sich aus den beiden Ansätzen ergeben haben. Welche politischen Optionen
hatten Poulantzas und Althusser? Die Sozialdemokratie weiter und
weiter nach links (d)rücken, um auf diese Weise eine “radikale Transformation”
(Poulantzas) oder eine “andere Art der Politik” (Althusser 1986,
1. These) zu bewirken. An diesen Optionen sollten die Unterschiede
und Konvergenzen der Verdichtungs- und Apparatethesen deutlicher
werden.
Demokratischer Sozialismus
Poulantzas optierte im politischen Geschehen für
den demokratischen Sozialismus, also für eine Politik verschärfter
linker Sozialdemokratie.8 Der Sozialismus wird demokratisch
sein oder gar nicht, dieser Schlüsselsatz von Poulantzas wird gerne
zitiert. Von den Rändern kommend sieht er eine eindeutige, reale
Option in dieser Richtung, die sich in den europäischen kapitalistischen
Staatsformationen abzeichnet. Um sich ins Werk zu setzen, hat der
demokratische Sozialismus eine radikale Transformation des Staates
zum Ziel, nicht dessen Zerschlagung. Dies ist allerdings nur dann
möglich, wenn gleichzeitig eine breite, von links inspirierte Volksbewegung
aktiv ist, die die andauernde Triebkraft dieser radikalen Transformation
ist. “Eine Transformation des Staatsapparates im Sinne des Absterbens
des Staates kann sich nur auf ein gesteigertes Eingreifen der Volksmassen
in den Staat stützen – sicherlich mit Hilfe der gewerkschaftlichen
und politischen Vertreter der Volksmassen, aber auch durch die Entfaltung
ihrer eigenen Initiativen innerhalb des Staates.” (Poulantzas 2002,
290)
Demokratischer Sozialismus darf dabei die repräsentative Demokratie
nicht einfach ausradieren und ihre Funktion durch ein Rätesystem
ersetzen, diese Operation führe entweder zum stalinistischen Staat,
oder aber reformistisch ohne Massenbewegung zum sozialdemokratischen
Technokratismus. Hier liegt der Grund für die konzeptionelle Krise
der marxistischen Linken. Deshalb wird der Sozialismus demokratisch
sein oder gar nicht. Die Volkskämpfe und das Kräfteverhältnis, das
sie beschreiben, verdichten sich als Staat, sie strukturieren also
den Modus und die Radikalität der angestrebten Transformation.
“Alles
hängt vom Klassenkampf in der Philosophie ab” (Althusser 1986)9
Diese
Aussage Althussers, nach der alles vom Klassenkampf in der Philosophie
abhänge, wäre für Nicos Poulantzas unverständlich, es läßt sich
kaum in den Horizont einfügen, den seine Theorie aufspannt, obwohl
beide auf eine Erneuerung des demokratischen Sozialismus im Spannungsfeld
zwischen sozialen Bewegungen und Institutionen setzen. Auch Althusser
tut dies nämlich, indem er beispielsweise die Parole ausgibt, die
Sozialdemokratie müsse nach links gedrängt werden, aber hinzufügt:
“aber dafür gibt es kein universelles Rezept.” (zitiert nach Wolf
2006)
Heutzutage wird klar, daß damals zwei hellsichtige Theoretiker über
etwas nachdachten, das erst im Kommen war. Gegen die politische
Konjunktur wurde über die Bedingungen und Konsequenzen einer Neu-Positionierung
der Sozialdemokratie reflektiert. Bei Strafe des Untergangs wird
sie diese vornehmen müssen, weltweit.
Der Weg und das Ziel sind dennoch verschieden. Bei Althusser kämpfen
philosophische Thesen in der Philosophie, und der Horizont ist,
das ideologische Spiel des Wiedererkennens in Zerrbildern irgendwann
einmal zu zerstören: “Aber was wird aus jenem ideologischen Wiedererkennen?
Ein Sich-Erschöpfen in der Dialektik des Selbstbewußtseins, das
seine Mythen vertieft, ohne sich jemals aus ihnen zu befreien? In
den Mittelpunkt dieses Spiels den unendlichen Spiegel stellen? Oder
aber ihn versetzen, zur Seite drängen, ihn nehmen und verlieren,
ihn verlassen und zu ihm zurückkehren, ihn von weitem fremden Kräften
unterwerfen und derart unter Spannung setzen, daß er endet wie durch
jene physische Resonanz, die aus der Distanz ein Glas zerspringen
läßt: plötzlich zu einem Scherbenhaufen zusammenfällt.” (Althusser
1981, 86)
Diese Vorgehensweise könnte als “Aleakonstruktion” bezeichnet werden.
Das bedeutet ein spielerisches Experimentieren mit den ideologischen
Spiegeln, in dem sie irgendwann, unter bestimmten, nicht vorhersehbaren
Kräfteverhältnissen samt und sonders zerspringen. Dann wird eine
andere Art möglich werden, politisch zu handeln.
Poulantzas denkt die sozialen Bewegungen von der notwendigen radikalen
Transformation des Staates her, von der politischen Ebene ausgehend,
auf diese einwirkend. Für Althusser markiert das Ereignis in der
Philosophie “plötzlich” den Übergang in den Kommunismus. Materiell
dachte er dabei an soziale Bewegungen, die das Potential aufweisen,
solche fremden (z. B. spirituellen) Kräfte in Gang zu setzen: Befreiungsbewegungen
in Lateinamerika, Befreiungstheologie, Massenaufstände, die nicht
der Produktionssphäre und auch nicht der unmittelbaren politischen
Ebene entspringen. Herrschaft und Ausbeutung wird hier verschoben
artikuliert, ihre Motivation ist zwar sozial und politisch, nur
eben nicht in der vorgegebenen politischen Form. Daraus speisen
sich die Energien, die die Sozialdemokratie nach links drängen und
sie notwendig zur Neupositionierung drängen werden. Die Abweichung,
die ein neues Spiel der Kräfte evoziert, beginnt dabei subjektiv
und ideologisch, neben den und quer zu den politischen Konstellationen.
Die Notwendigkeit ihrer Entstehung determiniert aber nicht ihr Ergebnis.
Es kommt eben darauf an.
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Anmerkungen
1 Dieser Text wurde vor einiger
Zeit nach Aufforderung für den Sammelband Poulantzas lesen!
geschrieben, dort aber abgelehnt, weil er nicht theoretisch genug
sei. Nach einer langen Pause mit gewerkschaftlichen Aktivitäten
habe ich ihn mir wieder vorgenommen und bin zu der Überzeugung gekommen,
daß dieses Argument vorgeschoben war, weil die Grundkritik an Poulantzas
nicht erwünscht ist – wie auch immer, die geneigten Leserinnen und
Leser können nun selber urteilen. Danke an episteme!
2 Vgl. Nicos Poulantzas (1969), Ralph Miliband (1970), Etienne Balibar
(1973), Ernesto Laclau (1975).
3 “Es ist also theoretisch zu klären, wie der Klassenkampf, spezieller
der politische Kampf und die politische Herrschaft, im institutionellen
Gerüst des Staates eingeschrieben sind (im vorliegenden Fall die
der Bourgeoisie im materiellen Gerüst des kapitalistischen Staates),
und zwar so, dass die unterschiedlichen Formen und historischen
Transformationen diese(s) Staates erklärt werden können.” (Poulantzas
2002, 157)
4 Die Formulierung Klassengewalt ist in der beinahe parallelen Passage
der späteren Staatstheorie verschwunden – vermutlich hat Poulantzas
den erstgenannten Text revidiert – und ist durch den ‘einfachen’
Klassenkampf ersetzt worden: “Die politischen (und ideologischen)
Beziehungen intervenieren daher nicht einfach in der Reproduktion
der Produktionsverhältnisse – nach einem geläufigen Verständnis
der Reproduktion, demzufolge die Reproduktion die Konstitution der
Produktionsverhältnisse mystifiziert, indem sie von außen die politisch-ideologischen
Beziehungen einführt (…). Weil die politisch-ideologischen Beziehungen
von Anfang an in der Konstitution der Produktionsverhältnisse präsent
sind, spielen sie bei deren Reproduktion eine wesentliche Rolle
(…). Auf dem gleichen Tatbestand beruht schließlich die Etablierung
des Staates in der Konstitution und Reproduktion der gesellschaftlichen
Klassen, kurz im Klassenkampf. (…) Den Staat in seiner Beziehung
zu den Produktionsverhältnissen lokalisieren, heißt, die ersten
Konturen seiner Präsenz im Klassenkampf zu umreißen.” (Poulantzas
2002, 56f.)
5 In Empire ist aus der hier genannten Wiederaneignung enteigneter
Bereiche ein zentrales Motiv geworden, vgl. Hardt/Negri 2002, 400ff.
6 “Das Problem der konstituierenden Gewalt wird somit zum Problem
der ‘Konstitution der Potenz’ (…), und die ungelöste Dialektik von
konstituierender und konstituierter Gewalt macht einer neuen Form
der Beziehung zwischen Potenz und Akt Platz, was nicht weniger erfordert,
als die ontologischen Kategorien der Modalität in ihrer Gesamtheit
neu zu denken.” (Agamben 2002, 55)
7 Vgl. jüngst dazu Morfino (2005): “Was ist denn eine Produktionsweise?
Mit Marx haben wir festgestellt: eine besondere “Kombination” der
Elemente. Diese Elemente setzen sich zusammen aus der finanziellen
Akkumulation (jene des Mannes mit den Talern), aus der Akkumulation
der technischen Produktionsmittel (Werkzeuge, Maschinen, Produktionserfahrung
bei den Arbeitern), der Akkumulation der Rohstoffe (die Natur) und
der Akkumulation der Produzenten (die Proletarier ohne jegliches
Produktionsmittel). Diese Elemente existieren nicht in der Geschichte,
damit eine Produktionsweise existiert, sie existieren in ihr in
einem “flottierenden” Zustand vor ihrer “Akkumulation” und “Kombination”,
jedes als das Produkt seiner eigenen Geschichte, keines als das
teleologische Produkt der anderen oder von deren Geschichte. (…)
Die kapitalistische Produktionsweise ist daher das Ergebnis einer
Begegnung, die gehalten, die gegriffen hat. Und dennoch muß diese
Begegnung nicht ein für allemal stattfinden, sondern muß fortfahren,
sich immer und immer wieder zu ereignen: die kapitalistische Produktionsweise
kann nur durch die fortlaufende Wiederholung dieses “Greifens” bestehen
bleiben.”
8 Zuerst in: Poulantzas (1978), die deutsche Übersetzung dieses
Textes bildet das Schlußkapitel der Staatstheorie (Poulantzas 2002,
278ff.).
9 Zitiert nach einem Manuskript von F. O. Wolf (2006) über die sogenannten
Junithesen Althussers aus dem Jahr 1986, “Finally soon – bread and
roses”.
Literatur
Agamben,
Giorgio (2002): Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte
Leben. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Althusser, Louis (1978): Ideologie und ideologische Staatsapparate.
Hamburg: VSA.
Althusser, Louis (1981): “Das ‘Piccolo Teatro’, Bertolazzi
und Brecht”. In: Alternative 137.
Althusser, Louis (1986): Thèses de juin, unveröff.
Ms.
Althusser, Louis (1994): “Marx dans ses limites”. In: Ders.,
Ècrits philosophiques et politiques, Bd. 1. Paris: STOCK/IMEC.
Benjamin, Walter (1921): Zur Kritik der Gewalt und andere
Aufsätze. Frankfurt a. M. 1965: Suhrkamp.
Balibar, Etienne (1973): “Self-criticism – an Answer to Questions
from Theoretical Practice”. In: Theoretical Practice 7/8.
Derrida, Jacques (1991): Gesetzeskraft. Der mystische
Grund der Autorität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Hardt, Michael / Negri, Antonio (2003): Empire. Die neue
Weltordnung. Frankfurt a. M./New York: Campus.
Laclau, Ernesto (1975): “The Specificity of the Political:
around the Poulantzas-Miliband Debate”. In: Economy and Society,
Vol. 5.
Miliband, Ralph (1970): “The Capitalist State – reply to
Nicos Poulantzas”. In: New Left Review 59.
Morfino, Vittorio (2005): “An Althusserian Lexicon”. In:
borderlands-e-journal, Vol.4, 2/2005, http://www.borderlandsejournal.adelaide.edu.au/issues/vol4no2.html.
Übersetzung auf: http://www.episteme.de/htmls/Morfino-Althusser-Lexikon.html.
Negri, Antonio (1998): “Repubblica Constituente”. In: Negri,
Antonio / Lazzarato, Maurizio / Virno, Paolo, Umherschweifende
Produzenten. Berlin: ID Verlag, S. 67-81.
Poulantzas, Nicos (1969): “The Problem of the Capitalist
State”. In: New Left Review 58, S. 67-78.
Poulantzas, Nicos (1975): Klassen im Kapitalismus – heute.
Berlin: VSA.
Poulantzas, Nicos (1978): “Towards a Democratic Socialism”.
In: New Left Review I/109, S. 75-87.
Poulantzas, Nicos (2002): Staatstheorie. Hamburg:
VSA.
Schmitt, Carl (1928): Verfassungslehre. München/Leipzig:
Duncker & Humblot.
Wolf, Frieder Otto (2006): “Finally soon – bread and roses”.
Ms. 2006, Übersetzung auf: http://www.episteme.de/htmls/Wolf-Juni-Thesen-Althusser.html.
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