Die Absicht dieses Essays besteht darin, einige Konsequenzen zu untersuchen, die - sowohl
für die politische Theorie als auch für das politische Handeln - aus dem folgen, was unser "postmoderner Zustand"
genannt worden ist. Es existiert heutzutage das weitverbreitete Gefühl, daß die Erschöpfung der großen Erzählungen der
Moderne, das Verschwimmen der Grenzen der öffentlichen Räume und die Funktionsweisen der Logik der
Unentscheidbarkeit, die dem kollektiven Handeln alle Bedeutung zu rauben scheinen, zu einem verallgemeinerten
Rückzug vom Politischen führen. Ich möchte versuchen, diese Behauptung zu analysieren, und werde dabei so
vorgehen, daß ich als meinen Ausgangspunkt einige der grundlegendsten Annahmen des modernen Ansatzes zur
Politik betrachte. Vom Standpunkt der Bedeutung jeder bedeutsamen politischen Intervention bestand während der
Moderne die allgemein verbreitete Überzeugung, daß jene auf der Ebene der Grundlage des Sozialen stattzufinden hatte - das
bedeutet, daß die Politik die Mittel besaß, um eine radikale Transformation des Sozialen durchzuführen, ob nun eine
derartige Transformation als gründende revolutionäre Handlung, als eine systematische, aus einer aufgeklärten
Elite hervorgehende Reihe bürokratischer Maßnahmen oder als eine einzelne Handlung begriffen wurde, die den Weg
zu der Funktionsweise derjenigen Mechanismen eröffnet, deren automatische Entfaltung ausreichen würde, einen
"Gesellschaftseffekt" zu produzieren. Außerdem besteht hier noch das Problem des theoretischen Rahmens, der
ein begriffliches Verständnis einer derartigen politischen Intervention erlaubt. Dieser wurde durch
den Begriff der sozialen Totalität und die Reihe kausaler Verknüpfungen, die notwendigerweise aus ihm
folgten, bereitgestellt. Wie aufgezeigt worden ist1, wenn wir Machiavelli und Hobbes als entgegengesetzte
Pole in dem modernen Ansatz zur Politik nehmen - der erste zentriert seine Analysen um eine
Theorie strategischer Kalkulation innerhalb des Sozialen, der zweite in der Mechanismen
produzierenden Gesellschaft als einer Totalität - dann ist es der Hobbessche Ansatz, der
den Mainstream moderner politischer Theorie begründet hat. Dies führt uns zu einem dritten
Merkmal politischen Handelns, wie es während des modernen Zeitalters verstanden wurde: seiner
grundlegenden Repräsentierbarkeit. Es hätte nicht anders sein können; wenn es eine Grundlage des
Sozialen gibt - die die Bedingung seiner Intelligibilität darstellt - und wenn folglich die
Gesellschaft nur als eine geregelte Reihe von Effekten betrachtet werden kann, das heißt als
eine Totalität, dann muß eine Handlungsweise, deren Bedeutung sich von einer solchen Grundlage und einer
solchen Totalität ableitet, sich selbst gegenüber völlig transparent und so mit einer grenzenlosen
Repräsentierbarkeit ausgestattet sein. Diese Transparenz und Repräsentierbarkeit mußten auch
notwendigerweise auf den Handelnden der historischen Transformation übertragen werden.
Ein begrenzter historischer Akteur konnte eine universelle Aufgabe nur ausführen, indem
ihm der Zugang zur Bedeutung seiner Handlungen verweigert wurde, indem sein Bewußtsein
dem eines "falschen" entsprach. Doch wie sowohl Hegel als auch Marx genau wußten, stellt eine
soziale Totalität, der der Spiegel der eigenen Repräsentation fehlt, eine unvollständige
soziale Totalität und folgerichtig überhaupt keine soziale Totalität dar. Nur eine vollständige
Versöhnung zwischen Substanz und Subjekt, zwischen Sein und Wissen, kann den Abstand zwischen
dem Rationalen und dem Realen aufheben. Doch in diesem Fall ist die Repräsentation ein
notwendiges Moment bei der Selbsterrichtung der Totalität, und diese wird nur verwirklicht, wenn
der Abstand zwischen Handeln und Repräsentation abgeschafft wird. Nur ein grenzenloser historischer
Akteur - eine "universelle Klasse" - kann diese Abschaffung tatsächlich zustande bringen. Diese
doppelte Bewegung, durch die einerseits die Grundlage durch eine universelle Klasse zum Subjekt
wird, die alle "Entfremdung" in den Formen der Repräsentation abschafft, und durch die andererseits
das Subjekt zur Grundlage wird, indem es alle äußeren Beschränkungen beseitigt, die
durch das Objekt gesetzt wurden, steht im Mittelpunkt der modernen Sicht von Geschichte
und Gesellschaft.
Diese vier Merkmale laufen in einem fünften zusammen, das vielleicht als der wahre Horizont
des modernen Ansatzes zur Politik betrachtet werden könnte: sobald die letzte Grundlage von
Politik völlig sichtbar gemacht wird, wird Macht zu einem rein nebensächlichen Phänomen. Die
Gründe für diese Reduktion sind offensichtlich: wenn eine soziale Gruppe Macht über eine
andere ausübt, dann wird diese Macht von der zweiten Gruppe als irrational erfahren; aber wenn
die Geschichte jedoch einen ausschließlich rationalen Prozeß darstellt, dann muß die
Irrationalität der Macht rein nebensächlich sein. In diesem Fall gehört entweder die
historische Rationalität zum Diskurs der herrschenden Gruppen - und die Ansprüche der
Unterdrückten sind der notwendige, aber verzerrte Ausdruck einer höheren Rationalität, die,
als ihre eigene Bedingung der Möglichkeit, einen Bereich der Undurchsichtigkeit erzeugt; oder
die Diskurse der Unterdrückten sind diejenigen, die die Keime einer höheren Rationalität
enthalten - wobei ihre vollständige Verwirklichung die Beseitigung jeder Undurchsichtigkeit
zur Folge hat (und damit jeder Macht). Im ersten Fall sind Gewalt und Undurchsichtigkeit
in der Tat anwesend. Doch weil die Macht der herrschenden Gruppe völlig rational ist, kann
der Widerstand gegen die Macht nicht äußerlich, sondern muß der Macht selbst innerlich
sein; in diesem Fall können die Gewalt und die Undurchsichtigkeit der brutalen Tatsache von
Herrschaft nur die notwendig nebensächlichen Formen sein, durch die die Rationalität der
Macht Gestalt annimmt. Wenn ein System von Herrschaft rational ist, dann kann ihr repressiver
Charakter nur nebensächlich sein. Dies läßt uns nur zwei Alternativen übrig: entweder ist
die Sichtweise der herrschenden Gruppe völlig rational, wobei diese Gruppe einen grenzenlosen
historischen Akteur darstellt, oder die Blickwinkel sowohl der herrschenden als auch der
beherrschten Gruppen sind partiell und begrenzt, wobei die Attribute einer vollständigen
Rationalität automatisch auf den historischen Beobachter übertragen werden. Der wichtige
Punkt ist, daß in beiden Fällen die Realität von Macht und die Repräsentierbarkeit von
Geschichte in einem umgekehrten Verhältnis zueinander stehen.
Diese charakteristischen Merkmale der Moderne haben sich so tief in unsere gewöhnlichen
Weisen eingebürgert, die Gesellschaft und die Geschichte zu verstehen, daß neueste
Versuche, sie in Frage zu stellen (die mit dem sehr allgemeinen Begriff
"Postmoderne" benannt wurden), eine Tendenz verursacht haben, sie durch ihre reine
Abwesenheit zu ersetzen, indem sie ihren Inhalt einfach negieren, eine Negation, die
die Einnahme des intellektuellen Terrains fortsetzt, das diese positiven Merkmale entworfen
hatte. Auf diese Weise kann die Negation der Tatsache, daß es eine Grundlage gibt, von der
aus alle sozialen Inhalte eine exakte Bedeutung erhalten, leicht zu der Behauptung
umgewandelt werden, daß Gesellschaft ganz und gar bedeutungslos sei; die Universalität
der Agenten der historischen Transformation in Frage zu stellen, führt ziemlich oft zu
der Aussage, daß alle historischen Interventionen gleichermaßen und hoffnungslos
begrenzt seien; und das Aufzeigen der Undurchsichtigkeit des Repräsentationsprozesses
wird gewöhnlich mit einer Ablehnung gleichgesetzt, daß Repräsentation überhaupt möglich
ist. Es ist natürlich leicht zu zeigen, daß - in einem grundlegenden Sinne - diese
nihilistischen Positionen damit fortfahren, das intellektuelle Terrain zu
besetzen, von dem sie sich selbst zu distanzieren versuchen. Beispielsweise zu
behaupten, daß etwas bedeutungslos sei, heißt eine sehr klassische Vorstellung von Bedeutung zu
behaupten, wobei ihr nur hinzugefügt wird, daß sie abwesend sei. Doch es ist möglich - und dies
ist viel entscheidender - aufzuzeigen, daß diese scheinbar radikalen Umkehrungen ihre Überzeugungskraft,
wie hoch sie auch sein mag, nur durch eine eindeutig feststellbare Inkonsistenz erlangen
können. Wenn ich daraus den Schluß ziehe - wie ich es später in diesem Text tun werde -, daß
kein reines Repräsentations- verhältnis erhältlich ist, weil es das Wesen des Repräsentationsprozesses
ausmacht, daß das Repräsentierende zu der Identität von dem, was repräsentiert wird, beitragen muß,
dann kann das nicht ohne Inkonsistenz in die Aussage umgewandelt werden, daß "Repräsentation" einer
Vorstellung entspricht, die aufgegeben werden sollte. Denn in diesem Fall wären wir mit den nackten
Identitäten des Repräsentierten und des Repräsentierenden in ihrer Selbständigkeit konfrontiert,
was exakt der Annahme gleichkommt, die die ganze Kritik der Vorstellung von Repräsentation
in Frage gestellt hatte. Ebenso kann die Kritik an der Vorstellung von "Universalität", die
der Idee eines universell Handelnden implizit ist, nicht in die Behauptung der gleichermaßen
einheitlichen Einschränkung aller Handelnden umgewandelt werden - weil wir uns dann selbst fragen
könnten, in bezug worauf diese Einschränkung besteht. Und die Antwort kann nur darin bestehen, daß
sie eine Struktur betrifft, die allen Handelnden gleichermaßen Grenzen setzt und die, in diesem
Sinne, die Rolle einer wahren Universalität annimmt. Um radikal bedeutungslos zu sein, wird
schließlich, als seine Bedingung der Möglichkeit, die kontrastierende Anwesenheit einer voll entwickelten
Bedeutung verlangt. Bedeutungslosigkeit entwickelt sich aus Bedeutung, oder,wie mit der Aussage behauptet wurde, die
genau das gleiche darlegt: Bedeutung entwickelt sich aus Nicht-Bedeutung.
Gegen diese Entwicklungen des Denkens, die durch die einfache Umkehrung seiner fundamentalen
Grundsätze innerhalb des modernen Terrains verbleiben, würde ich gerne eine alternative Strategie vorschlagen:
anstelle einer Umkehrung der Inhalte der Moderne das Terrain zu dekonstruieren, das die Alternative von
Moderne und Postmoderne möglich macht. Das heißt, anstatt innerhalb einer Polarisierung zu verbleiben, deren
Möglichkeiten völlig durch die fundamentalen Kategorien der Moderne bestimmt werden, aufzuzeigen, daß die
letzteren keinen im wesentlichen einheitlichen Block konstituieren, sondern eher dem sedimentierten Resultat
einer Reihe von kontingenten Artikulationen entsprechen. Wenn man die Intuition vom kontingenten Charakter
dieser Artikulationen wiederbelebt, wird dies folgerichtig eine Erweiterung des Horizonts hervorbringen,
insofern andere Artikulationen - genauso kontingent - ebenfalls ihre Möglichkeit aufweisen werden. Dies hat
auf der einen Seite eine neue Haltung gegenüber der Moderne zur Folge: keinen radikalen Bruch mit ihr,
sondern eine neue Abwandlung ihrer Leitmotive; kein Verzicht auf ihre Grundsätze, sondern eine Hegemonisierung
von ihnen aus einer anderen Perspektive. Auf der anderen Seite bedeutet dies ebenfalls eine Ausdehnung des
politischen Feldes statt seines Rückzugs - eine Erweiterung des Feldes strukturaler Unentscheidbarkeit, die die
Möglichkeit einer Ausdehnung des Feldes politischer Entscheidung eröffnet. Hier zeigen "Dekonstruktion" und
"Hegemonie" ihre Komplementarität als die zwei Seiten einer einzigen Operation. Diese beiden Seiten möchte
ich nun erörtern.
Lassen Sie mich damit beginnen, auf einen der grundlegenden Texte der Dekonstruktion zu
verweisen: die Untersuchung des Verhältnisses zwischen Bedeutung und Wissen bei Husserl (der "formalistischen" und
der "intuitionistischen" Seite seines Ansatzes), wie sie von Derrida in Die Stimme und das Phänomen vorgelegt wurde.
Husserl befreit in einem ersten Schritt Bedeutung von der Notwendigkeit, sie mit der unmittelbaren Anschauung eines
Gegenstandes auszufüllen. Das heißt, daß er Bedeutung von Wissen befreit. In der Tat hat ein Ausdruck wie beispielsweise
ein "quadratischer Kreis" eine Bedeutung: diejenige Bedeutung, die es mir zu sagen erlaubt, daß er sich auf einen unmöglichen
Gegenstand bezieht. Bedeutung und die Erfüllung des Gegenstandes benötigen folglich einander nicht notwendigerweise.
Zudem schließt Derrida, daß, wenn Bedeutung streng von Wissen unterschieden werden kann, das Wesen der Bedeutung
dann besser erklärt wird, wenn eine derartige Erfüllung nicht stattfindet. In einem zweiten Schritt liquidiert
Husserl doch schnell die Möglichkeiten, die dieser zwischen Wissen und Bedeutung errichtete Bruch
gerade eröffnet hatte:
"Anders gesagt: das wahre und eigentliche Be-deuten ist das Wahr-reden- Wollen. Diese subtile
Verschiebung ist eine Zurücknahme des Eidos ins Telos und der Sprache ins Wissen. Ein Diskurs erfüllt seine
Entelechie nur dann, wenn er wahr ist. Man kann wahrlich sprechen (bien parler), der "Kreis sei viereckig", man
kann aber nur wahr sprechen (parler bien), wenn man sagt, daß dem nicht so ist. Schon die erste Proposition ist
nicht ohne Sinn. Und man würde sich irren, nähme man an, daß dieser Sinn nicht die Wahrheit erwartet. Er erwartet die
Wahrheit freilich nicht, indem er auf sie wartet, sondern indem er ihr vorausgeht, sie antizipiert. In Wahrheit
hat nämlich das Telos, das eine für "später" versprochene Erfüllung ankündigt, den Sinn als Gegenstandsbeziehung
schon vorher erschlossen."2
Der wichtige Punkt - der dekonstruktive Moment von Derridas Untersuchung - besteht darin, daß,
wenn "Bedeutung" und "Gegenstandswahrnehmung" nicht in einer teleologischen Weise aufeinander bezogen sind, es dann
in diesem Fall - vom Standpunkt der Bedeutung - unentscheidbar ist, ob letztere dem Wissen nun untergeordnet ist oder
nicht. Derrida weist darauf hin, daß sich in dieser Hinsicht der Weg, den Joyce eingeschlagen hat, sehr stark von dem
von Husserl unterscheidet. Doch wenn Husserl Bedeutung dem Wissen unterordnet und wenn diese Unterordnung durch das
Wesen der Bedeutung nicht verlangt wird, dann kann sie nur aus einer Intervention resultieren, die kontingent gegenüber
der Bedeutung ist. Sie stellt das Ergebnis von dem dar, was Derrida eine "ethisch-theoretische Entscheidung" auf Seiten
Husserls genannt hat. Wir können sehen, wie die durch die dekonstruktive Intervention verursachte Ausdehnung des Feldes
strukturaler Unentscheidbarkeit gleichzeitig das Terrain erweitert hat, das von der Entscheidung eingenommen wird.
Nun entspricht eine kontingente Intervention, die auf einem unentscheidbaren Terrain stattfindet, genau dem, was wir
als eine hegemoniale Intervention bezeichnet haben.3
Ich würde gerne etwas eingehender dieses Verhältnis wechselseitiger Implikation zwischen Dekonstruktion
und Hegemonie untersuchen. Was die dekonstruktive Maßnahme aufgezeigt hat, ist nicht die tatsächliche Trennung zwischen
Bedeutung und Wissen, da die beiden in Husserls Text eng miteinander verknüpft sind - tatsächlich resultiert die
Einheit der letzteren aus diesem zweifachen Erfordernis, durch das Bedeutung sowohl dem Wissen untergeordnet als auch
von ihm unterschieden werden mußte. Damit demonstriert die dekonstruktive Intervention erstens die Kontingenz einer
Verbindung und zweitens die Kontingenz einer Verbindung. Dies hat eine entscheidende Auswirkung auf unsere Argumentation.
Wenn wir ausschließlich die Dimension der Kontingenz hervorheben würden, dann würden wir lediglich den zusammengesetzten
Charakter der Verbindung zwischen zwei Identitäten behaupten, wobei jede von ihnen vollständig durch sich selbst
konstituiert wäre und nichts außerhalb seiner selbst für diese vollständige Konstitution benötigen würde. Wir würden
uns auf einem Terrain reiner Streuung befinden, das eine neue und widersprüchliche Form des Essentialismus darstellen würde,
vorausgesetzt, daß jede der monadischen Identitäten in und für sich selbst bestimmt ist (erstes Extrem) und daß, weil
die Streuung gleichwohl eine Form von Beziehung zwischen Objekten ausmacht, sie ein Terrain benötigt, das als
Grundlage oder als Bedingung der Möglichkeit von dieser Streuung fungiert (zweites Extrem) - wobei die Identitäten
überhaupt nicht monadisch sein könnten. Damit ist eine Verbindung mit etwas anderem für die Konstitution jeder
Identität absolut notwendig, und diese Verbindung muß von kontingenter Natur sein. In diesem Fall gehört es zum
Wesen von etwas, kontingente Verbindungen und Kontingenz zu besitzen, und wird deshalb zu einem notwendigen Teil
des Wesens von diesem etwas. Dies führt uns zu folgenden Ergebnissen: Wenn der Besitz von Akzidentien ein wesentliches
Merkmal einer Substanz darstellt - oder, wenn das Kontingente einen wesentlichen Teil der Notwendigkeit
ausmacht - dann bedeutet dies, daß es eine notwendige Unentscheidbarkeit gibt, die in jede Struktur eingeschrieben
ist (mit "Struktur" bezeichne ich eine komplexe Identität, die durch eine Vielfalt von Momenten konstituiert
ist). Denn die Struktur verlangt die kontingenten Verbindungen als einen notwendigen Teil ihrer Identität,
doch diese Verbindungen - gerade weil sie kontingent sind - können aus keiner Stelle innerhalb der
Struktur logisch abgeleitet werden. Damit ist die Tatsache, daß nur einer der möglichen Wege verfolgt und
daß nur eine der möglichen kontingenten Verbindungen verwirklicht wird, aus dem Inneren der
Struktur heraus unentscheidbar. Insofern die "Strukturalität" der Struktur die Verwirklichung
einer Reihe von kontingenten Verbindungen darstellt, kann sie den Ursprung dieser
Verbindungen nicht innerhalb ihrer selbst finden. Darum muß nach Derridas Analyse die ethisch-theoretische
Entscheidung von Husserl als ein notwendiges Element hinzugezogen werden, um die Unterordnung
der Bedeutung unter das Wissen zu bewerkstelligen. Einen äußeren Ursprung einer bestimmten Reihe von
strukturellen Verbindungen werden wir als Kraft bezeichnen.4
Dies ist genau der Punkt, an dem sich Dekonstruktion und Hegemonie überschneiden.
Denn wenn die Dekonstruktion die Rolle der Entscheidung außerhalb der Unentscheidbarkeit der
Struktur entdeckt, dann verlangt die Hegemonie als eine Theorie der Entscheidung, die auf einem
unentscheidbaren Terrain vollzogen wird, daß der kontingente Charakter der Verbindungen, wie er
auf diesem Terrain besteht, vollständig durch die Dekonstruktion aufgezeigt wird. Die Kategorie der
Hegemonie entstand, um über den politischen Charakter sozialer Verhältnisse innerhalb einer
theoretischen Arena nachzudenken, die den Zusammenbruch der klassischen marxistischen Vorstellung
von der "herrschenden Klasse" miterlebt hatte - wobei letztere als ein notwendiger und immanenter
Effekt einer vollständig konstituierten Struktur verstanden wurde. Von Anfang an wurden die
hegemonialen Artikulationen als kontingente, prekäre und pragmatische Konstruktionen begriffen.
Darum gibt es bei Gramsci eine durchgängige Anstrengung, mit der Identifikation von hegemonialen
Akten mit objektiven sozialen Positionen innerhalb der Struktur zu brechen. Seine Idee eines
"Kollektivwillens" versucht genau diesen Bruch zu vollziehen, insofern die Kollektivwillen als
instabile soziale Instanzen mit ungenauen und ständig neu definierten Grenzen angesehen
und durch die kontingente Artikulation einer Vielfalt von sozialen Identitäten und
Verhältnissen konstituiert werden. Die zwei Hauptmerkmale einer hegemonialen Intervention
bestehen in diesem Sinne sowohl in dem kontingenten als auch in dem konstitutiven
Charakter der hegemonialen Artikulationen, insofern sie soziale Verhältnisse in einem
ursprünglichen Sinn begründen, unabhängig von jeder sozialen Rationalität a priori.
Dies wirft jedoch zwei Probleme auf. Das erste bezieht sich auf die äußere
Instanz, die die Entscheidung vornimmt. Stellt das nicht eine Wiedereinführung eines neuen
Essentialismus über das Subjekt dar? Entspricht dies nicht einer Ersetzung einer objektiven
Schließung der Struktur durch eine subjektive Schließung über die Intervention eines Handelnden?
Das zweite Problem betrifft die Bedingungen der Sichtbarkeit der Kontingenz der Struktur. Aus
Gründen, die weiter unten offensichtlich werden, müssen wir diese beiden Probleme nacheinander, in
der eben vorgeschlagenen Reihenfolge, in Angriff nehmen.
Wenn wir den ersten Punkt berücksichtigen, scheint es einleuchtend zu sein, daß
die Angelegenheit nicht durch die einfache Behauptung gelöst werden kann, daß das Kunststück durch ein
Subjekt vollbracht wird, das um sein Vorhaben herum die verstreuten Elemente einer verschobenen
Struktur reartikuliert. Es besteht eigentlich eine weit komplexere Beziehung zwischen Subjekt und
Struktur, als es diese vereinfachte Version von den Bestandteilen, die in einer hegemonialen Artikulation
involviert sind, nahelegt. Denn die offensichtliche Frage lautet: Wer ist das Subjekt, und was ist
das Terrain seiner Konstitution? Wenn wir oberflächliche deus ex machina-Lösungen vermeiden
wollen, dann müssen wir diese Frage beantworten. Eine erste Antwort würde einen wohlgeformten und
"aufgeklärten" Marxismus betreffen: es existiert ein grundlegendes Terrain, auf dem die sozialen Instanzen
konstituiert werden - die Produktionsverhältnisse - und ein untergeordnetes Terrain, auf dem die
verstreuten, zu hegemonisierenden Elemente operieren. Auf diese Weise müssen wir auf nichts
verzichten: wir können auf der vollständigen Rolle der Tätigkeit bei der Verrichtung der
artikulierenden Aufgabe bestehen, ohne dabei in irgendeinen aus der Mode gekommenen Subjektivismus
zu verfallen; wir können die Vorstellung eines grundlegenden Agenten des historischen Wandels
aufrechterhalten, ohne auf die vielgestaltige und reichhaltige Breite sozialen Lebens zu verzichten;
wir können dem fesselnden Spiel historischer Kontingenz freien Lauf lassen, wohlwissend, daß wir
die disziplinarischen Mittel besitzen, um sie - "in der letzten Instanz" - zu der harten Realität
struktureller Einschränkungen zurückzubringen. Was für eine schöne und ordentliche kleine Welt! Die
Kehrseite der Medaille besteht natürlich darin, daß, wenn der Trennung zwischen den beiden Ebenen überhaupt
irgendeine Gültigkeit zukommt, wir die Totalität dann explizit machen müssen, innerhalb derer die
Trennung stattfindet; und wenn es eine solche Totalität gibt, dann kann Kontingenz keine wahre Kontingenz
sein. Wenn nämlich die Grenzen der Kontingenz notwendig sind, dann sind diese Grenzen Teil der
kontingenten Identität. Umgekehrt, wenn die notwendigen Grenzen Grenzen der kontingenten Variation
darstellen, dann ist die Anwesenheit dieser Variation für die Existenz der Grenzen absolut
notwendig, und in diesem Fall, wie wir weiter oben feststellten, wird Kontingenz notwendig.
Die Welt ist überhaupt viel wilder und unvorhersehbarer als die Blaupausen unseres frommen
Marxisten.
Lassen Sie uns also die Karten mischen und das Spiel von neuem beginnen. Das
hegemoniale Subjekt kann kein Terrain der Konstitution besitzen, das sich von der Struktur
unterscheidet, zu der es gehört. Doch wenn das Subjekt eine bloße Subjektposition innerhalb der Struktur
wäre, dann würde letztere völlig in sich geschlossen sein und es würde überhaupt keine Kontingenz
geben - und keine Notwendigkeit, irgendetwas zu hegemonisieren. Die Termini unseres Problems sind
die folgenden: Hegemonie bedeutet kontingente Artikulation; Kontingenz bedeutet Äußerlichkeit der
artikulierenden Kraft gegenüber den artikulierten Elementen, und diese Äußerlichkeit kann nicht
als eine wirkliche Trennung der Ebenen innerhalb einer vollständig konstituierten Totalität gedacht
werden, weil das überhaupt keine Äußerlichkeit wäre. Wie sollen wir also eine Äußerlichkeit erklären,
die innerhalb der Struktur auf eine Weise entsteht, die nicht aus einer positiven Differenzierung ihrer
konstitutiven Ebenen resultiert? Dies kann nur geschehen, wenn die Struktur nicht völlig mit sich
selbst übereinstimmt, wenn sie durch einen ursprünglichen Mangel charakterisiert wird, durch eine
grundlegende Unentscheidbarkeit, die unaufhörlich von Akten der Entscheidung abgelöst werden muß.
Genau diese Akte sind es, die das Subjekt konstituieren, das nur als ein die Struktur transzendierender
Wille existieren kann. Weil dieser Wille keinen Ort der Konstitution außerhalb der Struktur besitzt,
sondern aus dem Scheitern der Struktur folgt, sich selbst zu konstituieren, kann er nur durch Akte der
Identifikation gebildet werden. Ich muß mich mit etwas identifizieren, weil ich in erster Linie keine
vollständige Identität besitze. Diese Akte der Identifikation können nur als Ergebnis des Mangels innerhalb
der Struktur gedacht werden, und sie führen die permanente Spur dieses Mangels mit sich. Kontingenz
wird auf diese Weise erklärt: als der inhärente Abstand der Struktur zu sich selbst. (Dies stellt
eigentlich die Matrix aller Sichtbarkeit und aller Repräsentation dar: ohne diesen Abstand wäre
keine Vorstellung möglich.)
Dies führt uns zu unserem zweiten Problem: Was sind die Bedingungen für die Sichtbarkeit der
Kontingenz der Struktur? Ein Teil der Frage wurde schon beantwortet: insofern kein besonderer Inhalt vorherbestimmt ist,
die strukturelle Lücke auszufüllen, ist es der Widerstreit verschiedener Inhalte in ihrem Versuch, diese auszufüllende
Rolle zu übernehmen, die die Kontingenz der Struktur sichtbar machen wird. Doch dies führt uns zu einer anderen
Konsequenz, die für unsere Argumentation eine größere Bedeutung besitzt. Die Sichtbarkeit des kontingenten
Charakters des die Struktur schließenden Inhalts verlangt, daß solch ein Inhalt als gleichgültig gegenüber der
strukturellen Lücke und, in diesem Sinne, als gleichwertig mit anderen möglichen Inhalten betrachtet wird. Dies
bedeutet, daß die Beziehung zwischen dem konkreten Inhalt und seiner Rolle als Füller der Lücke innerhalb der Struktur
rein äußerlich ist - darin genau liegt die Kontingenz. Doch in diesem Fall wird der konkrete, dieses Schließen
übernehmende Inhalt konstitutiv gespalten sein: auf der einen Seite wird er seinen eigenen buchstäblichen Inhalt
darstellen; auf der anderen Seite wird er - insofern er eine Funktion ausfüllt, die gegenüber dieser Kontrolle
kontingent ist - eine allgemeine Funktion des Ausfüllens repräsentieren, die unabhängig von jedem besonderen
Inhalt ist. Diese zweite Funktion ist das, was ich in einem anderen Text die allgemeine Form der Fülle
genannt habe.5 Folglich wäre die vollständige Antwort zu unserem zweiten Problem, daß die Bedingung
für die Sichtbarkeit der Kontingenz der Struktur in der Sichtbarkeit der Lücke zwischen der allgemeinen Form
der Fülle und dem konkreten Inhalt besteht, der diese Form verkörpert. In einer Situation großer Unordnung
wird das Bedürfnis nach einer Ordnung dringender sein als ihr konkreter Inhalt; und je umfassender diese
Unordnung ist, desto größer wird der Abstand zwischen diesen beiden Dimensionen ausfallen und desto gleichgültiger
werden die Menschen gegenüber dem konkreten Inhalt der politischen Formen sein, die die Dinge in eine gewisse
Normalität zurück- versetzen.6
Wir können nun einige allgemeine Schlußfolgerungen über diese Spaltung ziehen. Es ist leicht
zu erkennen, daß, würde eine totale Schließung der Struktur erreicht werden, die Spaltung abgelöst werden
würde, weil in diesem Fall die allgemeine Form der Fülle der Struktur immanent wäre, und es unmöglich wäre, sie von
ihrem konkreten - buchstäblichen - Inhalt zu unterscheiden. Nur wenn die Fülle als dasjenige wahrgenommen
wird, was der Struktur fehlt, können die allgemeine Form und der konkrete Inhalt unterschieden werden. In
diesem Fall wären wir anscheinend einer einfachen Dualität ausgeliefert, durch die wir auf der einen Seite die
(teilweise zerstörte) Struktur und auf der anderen Seite die verschiedenen und - wie wir gesehen haben - teilweise
gleichwertigen Versuche haben, die strukturellen Lücken auszufüllen und neue restrukturierende Diskurse und
Praktiken einzuführen. Indessen besteht in dieser Darstellungsweise der Sache ein Trick, durch den etwas
wesentlich Entscheidendes verborgen wird. Lassen Sie uns die Angelegenheit sorgfältig überprüfen. Alles dreht
sich um den Status dieser Kategorie der "Äquivalenz", die wir eingeführt haben, um eine der Dimensionen des
Verhältnisses zwischen den verschiedenen Diskursen zu kennzeichnen, die versuchen, die strukturelle Lücke
auszufüllen. Was stellt die Bedingung der Möglichkeit einer solchen Äquivalenz dar? Lassen Sie uns an das
berühmte Beispiel von Menschen denken, die in der Nachbarschaft eines Wasserfalls leben. Sie hören ihr
ganzes Leben das Rauschen des herabstürzenden Wassers - das heißt, das Geräusch stellt einen beständigen
Hintergrund dar, den sie normalerweise nicht bewußt zur Kenntnis nehmen. Somit hören sie das
Rauschen eigentlich nicht. Doch wenn aus irgendeinem Grund der Wasserfall eines Tages
plötzlich aufhört, dann werden sie zu hören beginnen, was, streng ausgedrückt, nicht gehört werden
kann: Stille. Es ist der Mangel von etwas, der auf diese Weise eine vollständige Präsenz erlangt hat.
Jetzt lassen Sie uns annehmen, daß diese Stille zeitweilig durch Geräusche eines anderen Ursprungs
unterbrochen wird, die der Wasserfall vorher unhörbar machte. Alle diese Geräusche werden eine
gespaltene Identität besitzen: auf der einen Seite sind es spezifische Geräusche; auf
der anderen Seite haben sie eine äquivalente Identität, da sie alle die Stille brechen. Die Geräusche
sind nur äquivalent, weil es Stille gibt; doch die Stille ist nur hörbar als der Mangel einer vorangehenden
Fülle.
Diesem Beispiel fehlt jedoch eine Dimension des gemeinschaftlichen Mangels: jener wird
als Verlust erfahren, während ich der An- oder Abwesenheit des Geräusches des Wasserfalls vollkommen gleichgültig
gegenüberstehen kann. Darum wird der soziale Mangel als Unordnung, als Desorganisation, erlebt, und Versuche
der Abhilfe werden durch Identifikationen unternommen. Aber wenn die sozialen Verhältnisse diskursive
Verhältnisse sind, symbolische Verhältnisse, die sich selbst durch Signifikationsprozesse konstituieren,
dann muß das Scheitern dieses Konstitutionsprozesses selbst, die Anwesenheit des Mangels innerhalb der
Struktur, bezeichnet sein. Damit stellt sich die Frage, ob es spezifische diskursive Formen der Anwesenheit
des Mangels gibt? Hat diese Spaltung zwischen konkretem Inhalt und allgemeiner Form der Fülle eine
besondere Art und Weise, sich selbst kund zu tun? Die Antwort heißt ja, und ich werde argumentieren,
daß die allgemeine Form der Fülle sich selbst durch die diskursive Präsenz von ihrer Natur nach
flottierenden Signifikanten anzeigt - das heißt, diese resultieren nicht aus kontingenten Mehrdeutigkeiten
der Bedeutung, sondern aus der Notwendigkeit, den Mangel (die abwesende Fülle innerhalb der Struktur) zu
bezeichnen. Lassen Sie uns einen politischen Diskurs annehmen, der behauptet, daß die Labour-Partei eher
als die Tories in der Lage ist, die Einheit des britischen Volkes zu sichern. In einer Aussage wie dieser, die
in der politischen Debatte ziemlich häufig vorkommt, haben wir eine Entität - "Einheit des britischen Volkes" - die
sich qualitativ von den beiden anderen - Labour und Tories - unterscheidet. Erstens ist diese Einheit etwas zu
Verwirklichendes, so daß sie, im Gegensatz zu den beiden anderen Entitäten, nichts wirklich Existierendes, sondern den
Namen einer abwesenden Fülle darstellt. Doch zweitens würde sich die Art der politischen Einheit, die Labour einerseits
und die Tories andererseits zuwege bringen würden, wesentlich voneinander unterscheiden, so daß,
wenn der Begriff Einheit eine konkrete Entität auf derselben Ebene wie die der beiden politischen
Kräfte bedeuten würde, die Aussage nahezu tautologisch wäre - sie wäre gleichbedeutend mit "Labour ist
eher als die Tories in der Lage, die Einheit des britischen Volkes nach Art von Labour zu sichern". Doch
offensichtlich beabsichtigt die ursprüngliche Aussage nicht, dies auszudrücken. Also stellen auf der einen
Seite die verschiedenen politischen Kräfte den konkreten Inhalt der Einheit bereit, ohne den die Einheit
nicht existieren kann, aber auf der anderen Seite wird die Einheit durch keine der beiden alternativen
konkreten Inhalte vollständig ausgeschöpft. "Einheit" ist ein flottierender Signifikant, weil seine
Bedeutungen nur durch die konkreten Inhalte fixiert werden, die durch die antagonistischen Kräfte bereitgestellt
werden; doch gleichzeitig ist dieses Flottieren nicht ausschließlich kontingent und nebensächlich, weil ohne
es eine politische Debatte unmöglich wäre und das politische Leben die Gestalt eines Dialogs zwischen Tauben
annehmen würde, in dem wir ausschließlich unvereinbare Aussagen hätten. Die weiter oben erwähnte
grundlegende Spaltung findet die Form ihrer diskursiven Anwesenheit durch diese Herstellung von leeren
Signifikanten, die die allgemeine Form der Fülle repräsentieren. In einem anderen Essay7 habe
ich gezeigt, daß ein Ausdruck wie "die Faschisten hatten bei der Durchführung der Revolution Erfolg, was den Kommunisten
mißlang" während der frühen 20er Jahre in Italien völlig sinnvoll war, weil der Signifikant "Revolution" ein leerer
war, der das Gefühl der Menschen zum Ausdruck brachte, daß die alte, aus dem Risorgimento herrührende Ordnung überholt
war und daß der italienische Staat eine radikale Neugründung benötigte.
Lassen Sie uns ein letztes Beispiel in Angriff nehmen. In einem vor einigen Jahren veröffentlichten Artikel8
widerspricht Quentin Skinner der Art und Weise, wie Stuart Hampshire einen imaginären Dialog zwischen einem Liberalen und
einem Marxisten darbietet9. Laut Hampshire dreht sich die Meinungsverschiedenheit um die Bedeutung des Begriffs politisch: während der
Marxist ihm eine umfassende Verwendung gibt, fällt der liberale Gebrauch weitaus begrenzter aus. Für Skinner ist in der Kontroverse jedoch
viel mehr involviert als die Bedeutung des Begriffs, vorausgesetzt, daß es überhaupt nicht verständlich ist, warum unvereinbare,
einem Begriff zugeschriebene Bedeutungen ein Kriterium darstellen sollen, anhand dessen man eine Bedeutung der anderen
vorziehen würde. Und er schlußfolgert:
"Wenn der Marxist den Liberalen aufrichtig davon überzeugt, einige politische Einsichten zu teilen oder wenigstens
anzuerkennen, dann muß er in Wirklichkeit auf zwei Punkten bestehen. Der eine ist natürlich, daß der
Begriff "politisch" angemessenerweise auf Bereiche des Handelns angewandt werden kann, wo der Liberale
niemals daran gedacht hat, ihn anzuwenden. Doch der andere Punkt, der den Liberalen auffordert, seiner
Verwendung des Begriffs zuzustimmen, besteht darin, daß dies nicht auf einer Meinungsverschiedenheit
über die Bedeutung des Begriffs, sondern eher auf der Tatsache beruht, daß der Liberale eine Person von
eingeschränkter politischer Sensibilität und Bewußtsein ist."10
Ich stimme mit den beiden Punkten Skinners überein, aber ich würde gerne etwas
hinzufügen, was die Art des dialogischen Prozesses betrifft, der die zwei Vorgehensweisen zur Folge hat. Den
Liberalen davon zu überzeugen, daß der Begriff politisch auf Bereiche des Handelns angewandt werden kann,
den er vorher nicht umschlossen hatte, ist etwas, das, worauf Skinner selbst hingewiesen hat, nur unternommen
werden kann, wenn der Marxist in der Lage ist, mit einiger Plausibilität geltend zu machen, daß er
oder sie den Begriff aufgrund seines vereinbarten Sinns gebraucht.11 Wenn nun der Liberale nicht
versteht, daß dieser vereinbarte Sinn die Art von Situation einschließt, auf die sich der Marxist
bezieht, dann kann dies aus einem der beiden folgenden Gründe geschehen: entweder wegen eines logischen Fehlers
oder, glaubhafter, wegen einer "eingeschränkten politischen Sensibilität und eines eingeschränkten
politischen Bewußtseins". Damit unterscheiden sich Skinners zwei Punkte nicht wirklich voneinander. Einen
Begriff auf neue Bereich des Handelns aufgrund eines vereinbarten Sinns anzuwenden, verlangt, als eine
Voraussetzung sine qua non, eine Neubeschreibung einer gegebenen Situation in Begriffen, die eine
eingeschränkte politische Sensibilität aus dem Weg räumen. Doch damit haben wir sehr wenig gewonnen.
Warum wird denn eine Neubeschreibung überhaupt akzeptiert werden? Wenn jemand in einer Beschreibung A
völlig glücklich und gut eingerichtet ist, dann hat er oder sie keinen Grund, warum auch immer, zu einer
Beschreibung B zu wechseln. Der einzige Weg aus dieser Sackgasse ist, daß die Beschreibung B nicht
darauf hinausläuft, an die Stelle einer voll entwickelten Beschreibung A zu treten, sondern einer
Situation eine Beschreibung zur Verfügung stellt, die in Begriffen des alten Paradigmas zunehmend
unbeschreibbar wird. Das heißt, daß die einzige Art und Weise, wie der Prozeß der Überzeugung
vorgehen kann, darin besteht, daß er sich von einem Mangel an Überzeugung zu einer Überzeugung,
anstatt von einer Überzeugung zur anderen, fortbewegt. Das bedeutet, daß es die Funktion einer neuen
Sprache ist, eine Lücke auszufüllen. Hampshire nimmt also zutreffenderweise an, daß es keine Möglichkeit
der Wahl zwischen zwei getrennten Vorstellungswelten gibt. Doch Skinner liegt mit seiner Behauptung
ebenfalls richtig, daß die Kontroverse nicht bloß um die Bedeutung der Begriffe, sondern um
umfassendere Neubeschreibungen geht. Wenn wir uns einig sind, daß die Bedingung einer
erfolgreichen Neubeschreibung darin besteht, daß sie nicht nur eine alte ersetzt, sondern
ebenfalls eine Lücke ausfüllt, die sich in der allgemeinen Beschreibbarkeit einer Situation
eröffnet hat, dann wird die gültige Neubeschreibung eine gespaltene Identität besitzen: auf der
einen Seite wird sie ihr eigener Inhalt sein; auf der anderen wird sie das Prinzip der Beschreibbarkeit
als solches verkörpern - mit anderen Worten das, was wir als die allgemeine Form der Fülle bezeichnet
haben. Ohne diese zweite Funktion der Signifikation, ohne das, was wir die Hegemonisierung der
allgemeinen Form der Fülle durch eine konkrete Beschreibung nennen könnten, würden wir uns in Hampshires
"getrennten Vorstellungs-welten" wiederfinden und keine Interaktion zwischen den politischen
Diskursen wäre möglich.
Die vorhergehenden Ausführungen stellen einige Elemente bereit, um
uns unserem anfänglichen Problem zuzuwenden: Wie können wir den historischen Horizont der Moderne
überschreiten, ohne uns einer ausschließlichen Alternative zwischen Moderne und Postmoderne
auszuliefern, in der der rein negative Charakter der Inhalte des zweiten Pols bedeutet, daß
diejenigen des ersten ihre Herrschaft unangefochten fortsetzen? Wie können wir einem Nihilismus
entgehen, dessen bloße Logik genau das reproduziert, was sie in Frage stellen will? Unser
Argument wird erstens lauten, daß es die, auf den vorangegangenen Seiten diskutierte, strukturelle
Unentscheidbarkeit ist, wenn sie in all ihren radikalen Konsequenzen akzeptiert wird, die es
ermöglicht, sowohl über die Moderne als auch über ihre nihilistische Kehrseite hinauszugehen; und
zweitens, daß dieses Hinausgehen über die Moderne nicht in einem Verzicht auf all ihre Inhalte
besteht, sondern vielmehr in dem Verlust ihrer Dimension des Horizonts (eine Kategorie, die ich
erklären muß). Ich werde den ersten Punkt zusammen mit den Funktionsweisen der Logik von
Repräsentation und Macht in den zeitgenössischen Gesellschaften diskutieren und werde
später zu dem Problem der Krise des fundamentalen Horizonts der Moderne
zurückkehren.
Zuerst die Repräsentation: Was ist in den Repräsentationsprozeß involviert? Im wesentlichen
die fictio iuris, daß jemand an einem Ort anwesend ist, von dem er oder sie materiell abwesend ist. Die
Repräsentation stellt den Prozeß dar, durch den jemand anderes - der Repräsentant - den Repräsentierten "vertritt"
und gleichzeitig "verkörpert". Es scheint, als wären die Bedingungen für eine vollkommene Repräsentation erfüllt,
wenn die Repräsentation einem unmittelbaren Prozeß der Übertragung des Willens des Repräsentierten entspricht, wenn
der Repräsentationsakt im Verhältnis zu diesem Willen völlig transparent ist. Dies setzt voraus, daß der Wille
vollständig konstituiert ist und daß sich die Rolle des Repräsentanten in seiner Funktion der Vermittlung erschöpft.
Folglich muß die jeder Vertretung und Verkörperung inhärente Undurchsichtigkeit auf ein Minimum reduziert werden; der
Körper, in dem die Verkörperung stattfindet, muß nahezu unsichtbar bleiben. Dies ist jedoch der Punkt, an dem die
Schwierigkeiten beginnen. Denn weder auf der Seite des Repräsentanten noch auf der des Repräsentierten werden die
Bedingungen einer vollkommenen Repräsentation erlangt - und dies resultiert nicht aus dem, was empirisch erreichbar
ist, sondern entspricht gerade der dem Repräsentationsprozeß inhärenten Logik. Soweit es den Repräsentierten
betrifft, falls er oder sie es überhaupt benötigt, repräsentiert zu werden, folgt dies aus der Tatsache, daß seine
oder ihre fundamentale Identität an einem Ort A konstituiert wird und daß Entscheidungen, die diese Identität
beeinflussen können, an einem Ort B vorgenommen werden. Doch in diesem Fall stellt seine oder ihre Identität eine
unvollständige Identität dar, und das Repräsentationsverhältnis - weit davon entfernt, sich auf eine voll entwickelte
Identität zu beziehen - ist ein Supplement, das notwendig für die Konstitution dieser Identität ist. Das entscheidende
Problem besteht darin, zu bestimmen, ob dieses Supplement einfach von dem Ort A abgeleitet werden kann, wo
die ursprüngliche Identität des Repräsentierten konstituiert wurde, oder ob es einer vollkommen neuen
Hinzufügung entspricht, wobei die Identität des Repräsentierten durch den Repräsentations-prozeß überformt und ausgeweitet
wird. Meiner Meinung nach ist immer das letztere der Fall. Lassen Sie uns ein sehr einfaches Beispiel nehmen, in dem der
Beitrag des Repräsentanten zur Konstitution des "Interesses", das repräsentiert wird, anscheinend geringfügig ist: Ein
Abgeordneter, der eine Gruppe Farmer repräsentiert, deren vorrangiges Interesse der Aufrechterhaltung der Preise
für landwirtschaftliche Güter gilt. Auch in diesem Fall überschreitet die Rolle des Repräsentanten bei weitem die
einfache Übertragung eines vorher bestehenden Interesses. Denn das Terrain, auf dem die Interessen repräsentiert
werden müssen, stellt das der nationalen Politik dar, wo viele andere Angelegenheiten ausgetragen werden, und
auch etwas anscheinend so gewöhnliches wie der Schutz landwirtschaftlicher Preise verlangt Prozesse der Verhandlung und der
Artikulation mit einer ganzen Reihe von Kräften und Problemen, die weit darüber hinausgehen, was von dem Ort A aus
vorstellbar und ableitbar ist. Damit schreibt der Repräsentant ein Interesse in eine komplexe Realität ein, die sich
von derjenigen unterscheidet, in der das Interesse ursprünglich formuliert wurde, und, indem er oder sie so vorgeht,
konstruiert und überformt er oder sie dieses Interesse. Aber der Repräsentant transformiert auf diese Weise ebenfalls
die Identität des Repräsentierten. Die ursprüngliche Lücke innerhalb der Identität des Repräsentierten, die durch
ein mittels des Repräsentationsprozesses beigesteuertes Supplement ausgefüllt werden muß, eröffnet eine
unentscheidbare Bewegung in zwei Richtungen, die konstitutiv und irreduzibel ist. Es existiert da eine
Undurchsichtigkeit, eine wesentliche Unreinheit innerhalb des Repräsentationsprozesses, die gleichzeitig
sowohl seine Bedingung der Möglichkeit als auch der Unmöglichkeit darstellt. Der "Körper" des Repräsentanten
kann aus wesentlichen Gründen nicht reduziert werden. Eine Situation vollkommener Zugänglichkeit und
Übertragung durch einen vollkommen transparenten Träger würde überhaupt keine Repräsentation
nach sich ziehen.
Damit hat die Idee des Besitzes einer vollkommenen Repräsentation eine logische Unmöglichkeit
zur Folge - doch das bedeutet nicht, daß Repräsentation im Ganzen unmöglich ist. Das Problem besteht vielmehr
darin, daß Repräsentation den Namen für ein unentscheidbares Vorhaben darstellt, das eine Vielfalt sozialer
Verhältnisse organisiert, aber dessen Funktionsweisen nicht in einem rational faßbaren und letzten
Endes einheitlichen Mechanismus festgelegt werden können. Innerhalb der Demokratietheorie wurde Repräsentation
oft für die Schwierigkeiten kritisiert, die sie an eine Zugänglichkeit stellt, die in einer demokratischen
Gesellschaft als wesentlich angesehen wird. Doch viele Versionen dieser Kritik sind unbegründet. Es stellt
eine einseitige Sichtweise dar, die Gefahr ausschließlich in der Möglichkeit zu sehen, daß der Wählerwille
von seinen Repräsentanten ignoriert und verraten wird. Es gibt natürlich viele Fälle, in denen solch ein Wille
ignoriert oder systematisch verzerrt wird. Was diese Kritik aber vernachlässigt, ist die Rolle des Repräsentanten
bei der Konstitution eines solchen Willens. Wenn, wie ich dargelegt habe, eine Lücke in der Identität der
Repräsentierten existiert, die den Repräsentationsprozeß verlangt, um sie auszufüllen, dann ist es einfach nicht
wahr, daß die Minimierung derjenigen sozialen Bereiche, innerhalb derer die repräsentativen Mechanismen
operieren, notwendigerweise zu demokratischer verwalteten Gesellschaften führen wird. Wir leben in
Gesellschaften, in denen wir zunehmend unfähiger werden, uns auf eine einzelne oder wesentliche Ebene als
diejenige zu beziehen, auf der die fundamentale Identität sozial Handelnder konstituiert wird. Dies bedeutet
auf der einen Seite, daß die sozial Handelnden immer mehr zu "multiplen Ichs" werden, mit lose integrierten
und instabilen Identitäten; und auf der anderen Seite, daß es eine starke Vermehrung von Stellen innerhalb der
Gesellschaft gibt, von denen Entscheidungen, die ihr Leben beeinflussen, unternommen werden. Daraus resultiert, daß
die Notwendigkeit, "die Lücken auszufüllen", nicht mehr ein "Supplement" darstellt, das dem fundamentalen Bereich
der Identitätskonstitution des Handelnden hinzugefügt wird, sondern stattdessen ein primäres Terrain wird.
Die konstitutive Rolle der Repräsentation bei der Willensbildung, die in stabileren Gesellschaften teilweise
verborgen war, wird jetzt völlig sichtbar. Die Ebene nationaler Politik kann zum Beispiel als diejenige funktionieren,
auf der die Diskurse der Repräsentanten Formen der Artikulation und Einheit zwischen ansonsten fragmentierten Identitäten
anregen können. Dies bedeutet, daß wir der Struktur des Repräsentationsprozesses nicht entgehen können und
daß demokratische Alternativen konstruiert werden müssen, die die Stellen, von denen und um die herum Repräsentation
operiert, vervielfältigen, als zu versuchen, ihr Ausmaß und ihren Bereich des Funktionierens zu
begrenzen.
Wir haben gesehen, was in eine Situation involviert ist, in der der Diskurs des Repräsentanten die
Lücke in der Identität des Repräsentierten ausfüllen muß: daß der Diskurs eine zweifache Rolle übernehmen wird, auf
die ich mich vorhin bezogen habe, und zwar sowohl die, ein partikularer Ausfüller zu sein, als auch die auszufüllende
Funktion zu symbolisieren. Doch dies bedeutet, daß die Lücke zwischen den beiden Gliedern dieser Dualität in den
heutigen Gesellschaften notwendigerweise anwachsen wird und daß die Rolle der Repräsentanten immer zentraler und
konstitutiver werden wird. Ist dies wirklich so schlecht? Distanzieren wir uns durch diesen sich ausweitenden Abstand
zunehmend selbst von der Möglichkeit, demokratisch verwaltete Gesellschaften zu erreichen? Daran glaube ich nicht.
Die Situation entspricht eher dem Gegenteil. In einer Situation, in dem der konkrete Inhalt und die allgemeine
Form der Fülle nicht unterschieden werden können - das heißt, in einem geschlossenen Universum, in dem keine
Repräsentation benötigt wird - ist ein demokratischer Wettbewerb nicht möglich. Die Transparenz einer vollständig
erlangten Identität wird den automatischen Ursprung aller Entscheidungen darstellen. Dies ist die Welt der
Homerischen Helden. Wenn es aber eine Lücke in der Identität sozialer Akteure gibt, dann wird das Ausfüllen dieser
Lücke notwendigerweise die Spaltung zwischen dem füllenden Inhalt und der füllenden Funktion verursachen, und weil
die letztere notwendigerweise mit keinem bestimmten Inhalt verbunden ist, wird es einen Wettbewerb zwischen den
verschiedenen Inhalten um die Verkörperung der konkreten Form der Fülle geben. Eine demokratische Gesellschaft ist
keine, in der der "beste" Inhalt unangefochten herrscht, sondern ist eher eine, in der nichts definitiv erlangt
wird und immer die Möglichkeit der Anfechtung besteht. Wenn wir zum Beispiel an das Wiederaufleben des Nationalismus
und aller Arten von ethnischen Identitäten im heutigen Osteuropa denken, dann können wir leicht erkennen, daß die
Gefahr für die Demokratie in der Schließung dieser Gruppen um vollständig entwickelte Identitäten herum liegt,
die nur ihre reaktionärsten Tendenzen bestärken und die Bedingungen für eine permanente Konfrontation mit anderen
Gruppen erzeugen können. Es ist im Gegenteil die Integration dieser Nationen in größere Ensembles - so wie die
EU -, die die Grundlage für eine demokratische Entwicklung hervorbringen kann und die die Spaltung von sich selbst
verlangt, die Notwendigkeit, außerhalb von sich repräsentiert zu werden, um ein geeignetes Ich abzugeben.
Demokratie existiert nur, wenn der positive Nutzen einer verschobenen Identität anerkannnt wird. Der von
Homi Bhabha und anderen Verfassern passenderweise vorgeschlagene Begriff der Hybridisierung ist hier
vollkommen anwendbar. Doch in diesem Fall besteht die Bedingung einer demokratischen Gesellschaft in ihrer
konstitutiven Unabgeschlossenheit - die natürlich die Unmöglichkeit einer endgültigen Grundlage nach sich
zieht. Wir können erkennen, daß dies eine Verwerfung dieser Grundlage darstellt, die der verkehrten und
unfruchtbaren Dichotomie von Moderne und Nihilismus entgeht: sie konfrontiert uns nicht mit der Alternative
zwischen An- und Abwesenheit einer Grundlage, sondern mit der niemals endenden Suche nach etwas, das ihrer
bloßen Unmöglichkeit einen positiven Wert verleihen muß.
Wenn wir uns auf Macht beziehen, dann befinden wir uns in der gleichen Situation. Die traditionelle
Vorstellung einer emanzipierten Gesellschaft ist die einer völlig rationalen Gesellschaft, aus der Macht vollkommen
beseitigt worden ist. Doch wie wir gesehen haben, muß Macht für die rationalistische Konzeption der Gesellschaft,
auf der die Idee von Emanzipation beruht, ausschließlich nebensächlich sein. Dies beschert uns das Verhältnis einer
antinomischen Situation. Wenn Emanzipation als ein wirkliches Ereignis möglich sein soll - das heißt, wenn
sie einen ontologischen Status besitzt und nicht nur den gelebten Inhalt des falschen Bewußtseins der Menschen
darstellt - dann muß Macht ebenfalls wirklich sein. Doch wenn Macht wirklich ist, dann muß die Beziehung zwischen
Macht und dem, was sich von ihr befreit, diejenige einer radikalen Äußerlichkeit darstellen - ansonsten würde eine
von Macht zur Emanzipation führende rationale Verbindung bestehen, und Emanzipation wäre so nicht wirklich. Die
Schwierigkeit liegt in der Tatsache, daß eine Beziehung radikaler Äußerlichkeit zwischen zwei Kräften eine kontingente
Beziehung darstellt, und wenn Emanzipation Macht durch einen kontingenten Prozeß des Kampfes beseitigt, dann muß sie
selbst folgerichtig Macht sein. Könnte man jedoch nicht sagen, daß, sobald die Emanzipation die Macht zerstört hat, sie
aufhört, Macht zu sein? Nein, weil eine völlige Transparenz und Rationalität nicht logisch aus der jeder kontingenten
Machtausübung inhärenten Undurch-sichtigkeit hervorgehen können. Nur wenn der Sturz der Macht der Ausdruck einer höheren
Rationalität gewesen wäre, die sie in einen notwendigen Schritt verwandelt hätte, dann wäre die Emanzipation
durch und durch rational. Wie wir jedoch gesehen haben, würde sie in diesem Fall aufhören, eine Emanzipation
darzustellen. Damit ist es gerade die Bedingung von Emanzipation - ihr radikaler Bruch mit Macht - was die
Emanzipation unmöglich macht, weil sie von Macht nicht zu unterscheiden ist. Die Konsequenz stellt jedoch
nicht das nihilistische Ergebnis dar, daß Emanzipation unmöglich ist und daß nur Macht übrig bleibt, weil
unsere Schlußfolgerung darin besteht, daß Macht gerade die Bedingung von Emanzipation ist. Wenn sich alle
Emanzipation als Macht konstituieren muß, dann wird es eine Vielzahl von Machtausübungen geben - und folglich eine
Vielzahl kontingenter und partieller Emanzipationen. Wir befinden uns in der Machiavellischen Situation einer Vielzahl von
Kämpfen innerhalb des Sozialen und nicht in einem Akt radikaler Neugründung, die den Ursprung des Sozialen
annehmen würde. Ersetzt wird die logisch unmögliche Idee einer grundlegenden Dichotomie, die Emanzipation mit
der Beseitigung von Macht gleichsetzt. Wie in dem Fall der jedem Repräsentationsprozeß inhärenten Unreinheit sollte
jedoch die Dimension der Macht, die unausrottbar und für jede soziale Identität konstitutiv ist, nicht als Hindernis,
sondern als Quelle eines neuen historischen Optimismus angesehen werden. Denn wenn eine totale Beseitigung von Macht
erreichbar wäre, dann würden die sozialen Verhältnisse vollkommen transparent sein, Differenz würde unmöglich werden
und Freiheit würde einen überflüssigen Begriff darstellen. Wir würden tatsächlich das Ende der Geschichte
erreichen.
Dies führt mich zu meinem letzten Punkt. Was wir mit unserer zeitgenössischen Erfahrung bezeugen,
ist das Ende der Moderne als eines Horizonts, aber nicht notwendigerweise das der partikularen Zielsetzungen und
Forderungen, die seine Inhalte konstituiert haben. Wir nennen Horizont das, was zu ein und derselben
Zeit die Grenzen und das Terrain der Konstitution jedes möglichen Ziels errichtet - und dies macht folglich jedes
"dahinter" unmöglich. Vernunft für die Aufklärung, Fortschritt für den Positivismus und kommunistische Gesellschaft
für den Marxismus - dies sind keine Namen von Zielen innerhalb eines bestimmten Horizonts, sondern der Horizont
selber. In diesem Sinne sind die grundlegenden Merkmale der modernen Vorstellung von Politik, auf die ich
zu Beginn meines Textes hingewiesen habe, in den zentralen Dimensionen der als fundamentalen Horizont
verstandenen Moderne fest verwurzelt. Ich kann nun feststellen, indem ich die grundlegenden Schlußfolgerungen
meiner Argumentation dahingehend verallgemeinere, daß die Krise dieses Horizonts, die von vielen Seiten her
aufgezeigt wurde und die weit davon entfernt ist, zu einer umfassenden Implosion des Sozialen und zu einem
Rückgang der Teilnahme an der öffentlichen Sphäre zu führen, zum ersten Mal die Möglichkeit einer radikalen
politischen Vorstellung von Gesellschaft hervorgebracht hat. Lassen Sie uns kurz auf unsere fünf Merkmale
eingehen und sehen, in welcher Weise die "postmoderne" Wende dabei behilflich ist, die Politik von ihren
begrenzenden modernen Fesseln zu befreien.
Zuerst die radikale Transformation: Wenn diese Transformation als eine verstanden wird, die auf
der Ebene einer rational faßbaren Grundlage des Sozialen stattfindet, dann stellt die Transformation das Werk der
Vernunft und nicht von uns selbst dar. Eine Rationalität, die uns völlig transzendiert, bestimmt das, was geschehen
soll, und unsere einzige mögliche Freiheit besteht darin, uns dieser Notwendigkeit bewußt zu sein. In dieser Hinsicht
kann eine universelle Klasse nur ein grenzenloser historischer Akteur sein, der die Dualität von Subjekt und Objekt
abschafft. Doch wenn es keine Grundlage des Sozialen gibt, dann wird jede historische Intervention das Werk von
begrenzt historisch Handelnden darstellen. Diese Einschränkung wird jedoch durch eine neue Freiheit mehr als kompensiert,
die die sozial Handelnden erlangen, wenn sie zu den Schöpfern ihrer eigenen Welt werden. Folglich wird die Vorstellung
radikaler Transformation verschoben: ihr radikaler Charakter wird durch die Überdeterminierung von partiellen
Veränderungen, die sie mit sich bringt, und nicht durch ihre Funktionsweise auf der Ebene einer fundamentalen
Grundlage veranlaßt. Dies erklärt, warum das zweite und das vierte Merkmal, die wir in dem modernen Ansatz zur Politik
ausgemacht haben, ebenfalls verschoben werden. Die Kategorie der "sozialen Totalität" kann sicherlich nicht abgeschafft
werden, weil, insofern jede soziale Handlung auf einem überdeterminierten Terrain stattfindet, sie bis zu einem gewissen
Grad die sozialen Verhältnisse "totalisiert"; doch Totalität wird nun den Namen eines Horizonts und nicht mehr den einer
Grundlage markieren. Und aus demselben Grund versuchen die sozialen Akteure, ihre Einschränkungen zu überwinden, doch
in dem Maße, wie die Vorstellung eines grenzenlosen historischen Akteurs abgeschafft worden ist, kann diese Überwindung
nur den pragmatischen Prozeß der Konstruktion von stark überdeterminierten sozialen Identitäten darstellen. Was ist
mit der Repräsentierbarkeit? Es steht fest, daß, wenn es keine endgültige rationale Grundlage des Sozialen gibt, eine
totale Repräsentierbarkeit unmöglich ist. Doch in diesem Fall können wir von "partiellen" Repräsentationen sprechen, die,
innerhalb ihrer Grenzen, mehr oder weniger angemessene Abbildungen der Welt darstellen würden. Wenn die radikale
Kontingenz das Terrain der Grundlage besetzt, wird jede soziale Bedeutung eine soziale Konstruktion sein
und keine intellektuelle Reflexion von dem, was die Dinge "in sich selbst" sind. Die Konsequenz besteht darin,
daß in diesem "Krieg der Interpretationen" Macht, weit davon entfernt, bloß nebensächlich zu sein, konstitutiv
für soziale Objektivität wird.
Drei Schlüsse folgen aus den vorangehenden Ausführungen. Erstens, daß Politik, weit davon
entfernt, sich auf den Überbau zu beschränken, die Rolle von dem übernimmt, was wir eine Ontologie des Sozialen nennen
können. Wenn Politik das Ensemble von Entscheidungen darstellt, die auf einem unentscheidbaren Terrain gefällt werden -
das heißt ein Terrain, auf dem Macht konstitutiv ist - dann kann das Soziale nur in den sedimentierten Formen einer
Macht bestehen, die die Spuren ihrer eigenen Kontingenz verwischt. Die zweite Schlußfolgerung besteht darin, daß,
wenn die Entwicklung von der Moderne zur Postmoderne auf der Ebene ihrer intellektuellen und sozialen Horizonte
stattfindet, diese Entwicklung nicht notwendigerweise den Zusammenbruch aller Ziele und Werte zur Folge hat,
die innerhalb des Horizonts der Moderne enthalten sind, sondern stattdessen ihre Reformulierung aus einer
anderen Perspektive. Die universellen Werte der Aufklärung brauchen zum Beispiel nicht abgeschafft werden, sondern
müssen stattdessen als pragmatische soziale Konstruktionen und nicht als Ausdrücke eines notwendigen Erfordernisses
der Vernunft vorgeführt werden. Schließlich denke ich, daß die vorhergehenden Überlegungen die Richtung anzeigen,
die die Konstruktion eines postmodernen sozialen Imaginären einschlagen sollte: die positiven gemeinschaftlichen Werte
anzeigen, die aus der Einschränkung der historisch Handelnden, aus der Kontingenz sozialer Verhältnisse und aus solchen
politischen Arrangements folgen, durch die die Gesellschaft die Verwaltung ihrer eigenen Unmöglichkeit
organisiert.